Archive for Januar 2015
Wenn’s nicht zum Heulen wäre: Kommunikationspreis für KAV
Nach dem Kommunikations-Desaster im Zuge der (vorläufigen) Regelung der Ärztearbeitszeiten in OÖ und Wien (http://kurier.at/chronik/wien/arbeitszeitgesetz-fuer-wiener-spitalsaerzte-mehr-gehalt-weniger-nachtdienste/110.843.946) wo die Betroffenen von den Vereinbarungen zuerst über die Medien erfahren haben, lässt der Screenshot aus dem Intranet des KAV heute nur einen möglichen Schluss zu:
Sagenhafter Realitätsverlust
Wir werden alle reich: Ob an Geld oder Erfahrung ist noch offen
24 Stunden nachdem Tanja Wehsely (SPÖ) jubelte:
Wien investiert sich aus der Arbeitslosigkeit
Stadt Wien sieht für 2015 etwa 4,7 Mrd Euro für nachfragewirksame Ausgaben vor. Wir investieren in Ausbildung, Forschung, Entwicklung, den Ausbau der Öffis, den Bau neuer Spitäler, in die Energiewirtschaft und in viele andere Bereiche. Wien setzt konkrete Maßnahmen, um den Arbeitsmarkt anzukurbeln“. http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150128_OTS0123/sp-wehselysp-ekkamp-wr-landtag-wien-investiert-sich-aus-der-arbeitslosigkeit
verkündete Gesundheitssstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ), flankiert vom Wiener Ärztekammerpräsident Sekeres (SPÖ), Frauenstadträtin Sandra Frauenberger (wieso eigentlich?) und Christian Meidlinger, Vorsitzender der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten die
Einigung über ein neues Entlohnungsschema für die angestellten Ärzte der Stadt Wien.
(sehr große Strukturreform, Spitalsorganisation auf neue Beine, gutes und solidarisches Ende, durchschnittlich 25% Gehaltserhöhung…) http://wien.orf.at/news/stories/2691951/
Dass die Betroffenen zuerst über die Medien und dann in widersprüchlichen Mails von Dienstgeberin, Ärztekammer und Gewerkschaft informiert wurde, mag man als kleines Kommunikationshoppala abtun, dass 25% (aber hallo!) Gehaltserhöhung etwas ist, was selbst hartgesottene Metallergewerkschafter nie schafften, sollte das alles in den Schatten stellen.
„Das ist der Stadt auch etwas wert gewesen“ Originalton Wehsely
Auch wenn die bisherigen Mitteilungen, viele Fragen offen lassen, was da zuletzt „im Börserl“ bleiben wird, zumal ein Teil der Gehaltserhöhung erst 2017 (!) kommen wird, relativieren auch die genannten absoluten Zahlen den Abschluss: 70% (47 Mill €) der Erhöhungen kommen aus den Dienstumschichtungen, den Rest (19,9 Millionen €) schießt angeblich die Stadt extra zu, um die Reformen zu finanzieren. Keine Ahnung, welche Zeiträume da summiert wurden, in denen sich die Summe auf die rund 3000 angestellten Ärzte herunterrieselt. An absoluten Zahlen hörte man bis jetzt folgendes:
Turnusärzte verdienen mit 1. Juli 2015 3.400 Euro bis 4.000 Euro brutto monatlich, was eine Steigerung von 25 bis 29 Prozent entspricht. Fachärzte verdienen künftig zwischen rund 5.200 Euro und rund 7.900 Euro – diese Anpassung wird in zwei Schritten durchgeführt: Die erste Etappe im Ausmaß von 70 Prozent wird mit 1. Juli 2015 durchgeführt, die zweite dann am 1. Jänner 2017.
Da passt der eben erschienene StepStone Gehaltsreport (http://www.stepstone.de/gehaltsreport/), der für Deutschland die Befragungsergebnisse von Fach und Führungskräfte, für Mediziner folgendes ergab:
Das durchschnittliche Bruttojahresgehalt für deutsche Ärzte beträgt 63.500 €. Das lag im Schnitt über dem Mittelwert alle befragten Berufsgruppen (52.000 €). Es fand sich ein Süd-Nord und West-Ost Gefälle und das Jahresgehalt in Kliniken ist mit 66.300 € 21% höher, als das von niedergelassenen Ärzten. Je größer der Arbeitgeber, desto besser zahlt er. Bei einem klinischen Großbetrieb von mehr als 1.000 Mitarbeitern werden im Schnitt rund 78.000 € verdient, bei kleineren ärztlichen Arbeitgebern (1-500 Mitarbeiter) sind es im Schnitt 58.400 €. Ärzte mit Personalverantwortung verdienen mit durchschnittlich 78.600 € gegenüber anderen Ärzten (63.500 €) um 24% mehr. Bei Chefärzten zeigte die Analyse des Personaldienstleisters Kienbaum ein durchschnittliches Jahresgehalt von 280.000 €., wobei die Spanne von 80.000 € bis 750.000 € reichte und natürlich gibt es Fächer die sehr gut und solche, die vergleichsweise sehr schlecht verdienen.
Sobald die Details der heute bejubelten Einigung klar werden, kann somit jeder für sich entscheiden, ob sich ein Umzug nach Germanien lohnt.
Bitte, bitte, erklärt mir das
Wenn in Europa ein Politiker, dem man bisher keine Korruption vorwerfen kann, in einer geheimen Wahl gegen die nachweislich korrupt Regierenden eine Wahl gewinnt, fürchten wir uns.
Wenn in Europa ein halbes Jahr nachdem ein Passagierflugzeug abgeschossen wurde, ohne dass die bisherigen Untersuchungsergebnisse veröffentlicht werden, fürchten wir uns nicht.
Wenn in Europa nur kurz nach (!) der Wahl des Kommissionspräsidenten darüber diskutiert wurde, wie der in seiner früheren Position dafür gesorgt hat, dass sich Großkonzerne Steuern ersparen, fürchten wir uns nicht.
Wenn in Europa alle paar Jahre wieder in der Ukraine eine Revolution unterstützt, die die NATO Ausweitung Richtung Russland ermöglichen soll, fürchten wir uns nicht.
Wenn in Europa Milliarden an Steuergeld in den Bankensektor pumpt und über absurde Konstruktionen Milliardengarantien abgibt, ohne dass dem Casino-Kapitalismus wirksame Grenzen gesetzt werden, fürchten wir uns nicht.
Wenn in Afrika ein Virus etwa 6.000 Menschen tötet, fürchtet sich Europa.
Ärztearbeitszeitgesetz: Die Chronologie des Wahnsinns im KAV
Als Nachtrag zum gestrigen Blog (die spinnen, die Ärzte: Mehr Geld für weniger Arbeitszeit http://wp.me/p1kfuX-SY) möchte ich die Chronologie dieses Wahnsinns, insbesondere die kaum als zufällig erklärbare Verzögerungstaktik von Ärztekammer, Gewerkschaft und Krankenanstaltenverbund zusammenfassen:
1998
wurde im Parlament erkannt, dass die in Österreich per Gesetz und Betriebsvereinbarung erlaubten Ärztearbeitszeiten unhaltbar sein werden
2003
wird EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG beschlossen, die die langen Ärztearbeitszeiten verbietet
2004
die EU droht der Republik Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren an, weil die Richtlinie für Krankenanstalten (KA-AZG) nicht umgesetzt wurde.
2014
Nach 10 Jahren passiert im Oktober (nach einem Initiativantrag und ohne vorheriger Begutachtung) eine Novelle des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG) den Nationalrat, in der mit endlos langen Übergangsfristen und Ausnahmemöglichkeiten (wenn es die Versorgung unbedingt erfordert) der EU Richtlinie genüge getan wird und versucht wird die Selbstausbeutung von Ärzten zum Wohle der Krankenanstaltenträger (Landespolitiker) bis 2021 verlängern zu können. Seit damals gärt es in den meisten Bundesländern, mit Ausnahme Wien, denn dort herrscht nach außen Stille (siehe gestrigen Blog).
Am 21. Dezember wird per „Mail an alle Ärzte im KAV“ mitgeteilt, dass die Betriebsvereinbarung für verlängerte Dienste (Nachtdienste) und die Durchrechnungszeiträume für die durchschnittlich pro Woche erlaubten 48 Stunden Arbeitszeit bis 30.6.2015 verlängert.
Am 22. Dezember (!) 2014 verlangt die Gewerkschaft der Gemeindebedienteten (GgG-KMSfB Christian Meidlinger) per Mail mit hoher Wichtigkeit den START (!!!) der Ärzte-Gehaltsverhandlungen im Jänner.
In mehreren Dutzend Mails halten lokale Gewerkschaftsvertreter fest, dass sie selbst nach Rückfrage, keine klaren Informationen erhalten haben.
2015
Am 1.1. 2015 trat das neue KA-AZG in Kraft
Am 13.1.2015 verteilt die FSG nun plötzlich ein Positionspapier, in dem ein Ende der undurchsichtigen Dienstzeitregelungen (pauschalierte Nachtdienste, Zulagen und Überstundenkontingente, …) verlangt wird und die überraschende Forderung nach „Anwesenheit ist bezahlte Dienstzeit„, nach „transparenten und jederzeit für einzelne MitarbeiterInnen zugängliche Darstellung der Arbeitszeit“ und nach einer „einheitlichen Berechnungsmethode der Arbeitszeit“ erhoben wird.
Am 14. Jänner 2015 kam es schließlich zur ersten Verhandlungsrunde zwischen Arbeitgeber, Gewerkschaft und Ärztekammer um ein Gesetz umzusetzen, von dem man seit 17 Jahren weiß, dass es kommen wird und von dem der Wortlaut seit Oktober des Vorjahres feststeht.
Möglich ist das alles u.a. auch deshalb, weil die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten noch im Vorjahr und vor Verhandlungsbeginn eine bestehende Betriebsvereinbarung bis Juni 2015 verlängert hat und sich dadurch ihres stärksten Druckmittels entledigt hat.
Das muss mit Beförderungen enden.
die spinnen, die Ärzte: Mehr Geld für weniger Arbeitszeit
Seit Wochen irrlichtern verschiedene Meldungen über die neu geregelten Ärztedienstzeiten und bereits erreichten oder nur behauptete Einigungen durch die Medien. Es sollte auch jenen, die nicht direkt im Gesundheitssystem arbeiten, klar sein, dass Österreich ab 1.1.2015 mit gehöriger Verspätung eine EU-Richtlinie umsetzt, die die maximale Ärztearbeitszeit begrenzt. Ob das gesamte Umfeld jedoch allen klar ist, darf bezweifelt werden. Jedenfalls wurde dadurch die auch hier schon mehrfach thematisierte Problematik, woraus sich das Einkommen von Ärzte zusammensetzt (Der typische Arzt ist ein Hausarzt mit Kassenverträgen und reich http://wp.me/p1kfuX-jY) plötzlich für die angestellten Ärzte äußerst virulent.
Die Wiener Gesundheitsstadträtin Wehsely sieht ja praktischerweise überhaupt kein Problem (http://derstandard.at/2000009605924/Aerztearbeitszeit-Wehsely-sieht-keinen-Zeitdruck-fuer-Loesung-in-Wien) nachdem die SPÖ-dominierte Gewerkschaft noch kurz vor Jahreswechsel eine Betriebsvereinbarung verlängert hat, die die gesetzlichen Schlupflöcher bis in den Sommer verlängern hilft und die politischen Drurchdenkungsräume werden ja ohnehin immer kürzer.
Der Wiener Ärztekammerpräsident und Labormediziner am AKH, schien bisher ohnehin nur an einer Regelung für das AKH und nicht für die anderen Wiener Spitäler interessiert.
Wenn nun für den 19.1. 2015 die Wiener Ärztekammer die Halle E im Museumsquartier für eine Kundgebung zum Thema Ärztearbeitszeit anmietet und Spitalsärzte nun sogar mit eigens bereitgestellten Bussen hinkarren möchte, versucht sie hier nur dem immer stärkeren Unmut der angestellten Ärzte ein Ventil zu geben, die in Massenmails innerhalb des Wiener Krankenanstalten Verbundes sogar nach einer eigenen gewerkschaftlichen Vertretung verlangen; dass dieses Ansinnen vom ÖGB nicht unterstützt wird (GdG-KMSfB-Meidlinger: Klare Absage an eigene Ärzte-Gewerkschaft http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150107_OTS0077/gdg-kmsfb-meidlinger-klare-absage-an-eigene-aerzte-gewerkschaft) sei nur mal am Rande erwähnt, in Gründung ist diese Gewerkschaft aber bereits (http://derstandard.at/2000010089192/Aerztegewerkschaft-auf-Zielgerade).
In einigen anderen Bundesländern, insbesondere in Kärnten und Oberösterreich, gehen die Wogen um Geld und Arbeitszeit schon länger höher und drohen aktuell zu eskalieren, in einigen, wie in Vorarlberg, der Steiermark und in Salzburg wurden Erhöhungen des Grundgehaltes vereinbart, was einige grundsätzliche Probleme auch nicht lösen wird. Auch wenn die Lage extrem komplex ist, möchte ich hier – ohne dem Versprechen auf Vollständigkeit – einige Eckpunkte des Konfliktes ansprechen, um für Außenstehende die Gemengelage etwas zu entwirren.
Wenn der Arzt 24h im Spital ist, hat er dann 24h gearbeitet?
Nein, weil die ärztliche Anwesenheit, unabhängig von der tatsächlichen Arbeitsbelastung als Mix von Arbeitszeit und Bereitschaft berechnet wird. Im KAV werden für eine Anwesenheit (Mo-Do) von 8:00 früh bis 9:00 am Folgetag nur 20 Stunden Arbeitszeit, nicht 25h berechnet. Wird der Nachtdienst an einer ruhigen Station absolviert und konnte man während seiner Anwesenheit 5 Stunden ruhen, hat man Glück gehabt. Ging es aber rund, weil dauernd Rettungen oder ambulante Selbstvorstellungen eintrudelten, dann hatte man eben Pech.
Ich habe im Rahmen meiner Ausbildung noch Dienste von z.B. Samstag 8:00 bis Montag 16:00 geleistet, aber man war damals jung. Wenn aber die Nachtruhe (z.B. als Journalarzt) alle 2 Stunden gestört, dann war man aber auch damals ziemlich streichfähig.
Wie kommt der Arzt zu seinem Gehalt?
Das ist – wie alles in Österreich – regional sehr unterschiedlich. Prinzipiell setzt sich das Einkommen angestellter Ärzte im Wesentlichen durch Grundgehalt, Nebengebühren und Nebenbeschäftigungen zusammen.
Wie oft das Grundgehalt nun pro Jahr ausbezahlt wird, hängt vom Träger ab, wie viele Wochenstunden es abdeckt hängt von der Tätigkeit und vom Träger ab. Wie oben erwähnt, ist die Aufteilung von Arbeitszeit und Bereitschaft innerhalb „verlängerter Dienste“ schon schwer nachvollziehbar. Zusätzlich haben z.B. beruflich strahlenexponierte Personen häufig noch sogenannte Röntgentage, die von der Regelarbeitszeit abgezogen werden. Situationselastisch vermindern gesetzlich verlangte Ruhezeiten bisweilen die Anwesenheitspflicht, davon aber später.
Die Nebengebühren setzen sich aus (im KAV wenig ergiebig) Zulagen und (für die eizelnen
Warum explodiert es jetzt?
Das bisherige System, geringes Grundgehalt aber mehrere Möglichkeiten des Zuverdienstes für angestellte Ärzte war bequem für beide Seiten. Das KA-AZG (Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz) bot stets und auch in seiner aktuellen Form genügend Schlupflöcher (Übergangsfristen, Betriebsvereinbarungen, …), um Möglichkeiten (im KAV sogar die Verpflichtung) zu schaffen, viele Nachtdienste zu leisten. Wenn die Spitalsärzte nun ihre – für Außenstehende absurd scheinende – Forderung nach einer Gehaltserhöhung stellen, verlangen sie eigentlich nur die Anhebung ihres Grundgehaltes auf ein internationales Niveau. 30 Jahre braucht der KAV um ein Gesetz zu lesen – muss nun der Generaldirektor gehen? http://wp.me/p1kfuX-Ac
Weshalb haben die Vertreter der Spitalsärzte das Problem nicht schon früher angegangen?
Einerseits liegt das daran, dass sich für die Belange der angestellten Ärzte niemand so richtig zuständig fühlen will. Die Ärzte sind, so wie die Rechtsanwälte, Apotheker, Architekten, .. etc., de jure ein freier Beruf; deshalb sind sie auch zur Zwangsmitgliedschaft in einer eigenen Kammer verpflichtet, die sie – gemeinsam mit ihren einzelnen Verzweigungen (Arztakademie, ÖQUmed, Ärzteverlag, …) mit nicht unbeträchtlichen Mitgiedsbeiträgen finanzieren müssen . Auch wenn Ärzte als Angestellte von der Personalvertretung bzw. Gewerkschaft, als Institutsbetreiber von der Wirtschaftskammer „vertreten“ werden, werden sie dort eher als Exoten angesehen. Die Ärztekammer hat zwar eine eigene Kurie der angestellten Ärzten, sieht sich aber traditionell als Vertretung der Niedergelassenen, auch wenn sich diese Gruppe nicht ganz zu Unrecht auch immer weniger von dort vertreten fühlt. In Laufe der Jahre wurde die Gruppe der ausschließlich in der Niederlassung tätigen Ärzte sogar zur Minderheit innerhalb der Ärzteschaft, was spurlos am Selbstbild der Ärztekammer vorüberging. Schließlich betrieben ja auch viele primär angestellte Ärzte eine Ordination als Nebenbeschäftigung.
Warum stellen wir nicht einfach mehr Ärzte an?
Abgesehen davon, dass dafür das Geld fehlt, fehlt es auch an Ärzten.
Ausschlaggebend sind hierfür eine Reihe von an sich unabhängigen, aber politisch absichtlich getroffenen Regelungen:
Aufnahmebeschränkung zum Medizinstudium,
Wegfall des klassischen Turnusarztes durch ebenfalls für heuer von Ärztekammer und Gesundheitpolitik vereinbarten Änderungen in der Ärzteausbildung
Festlegung der Spitalserhalter pro Arzt/Ärztin nur mehr entweder eine Ausbildung zum Allgemeinmediziner oder in einem Fach anzubieten
Die immer stärker werdenden Auswanderung in Länder mit besseren Arbeitsbedingungen trägt zur Verknappung des Gutes Spitalsarzt bei.
Warum kommen wir nicht einfach mit weniger Ärzten im Spital aus, so wie auch in anderen Ländern?
Die Verteilung der Arbeit am Patienten, vom Blutdruckmessen bis zur Infusion ist in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich. Bislang war es für die Spitalserhalter günstiger, Tätigkeiten, die prinzipiell auch die diplomierte Pflege übernehmen konnte, durch die schlecht bezahlten Ärzte in Ausbildung erledigen zu lassen. Diese übernahmen jahrzehntelang viel mit kaum hörbarem Murren, da sie schließlich ohne abgeschlossenem Turnus ihr erfolgreich abgeschlossenes Studium nicht in einen gewinnbringenden Job umsetzen konnten und sie die Hoffnung auf eine nachfolgende Ordinationseröffnung aufrecht erhielt. Da ging es ihnen ähnlich, wie andere freie Berufe (Juristen im Gerichtsjahr, Apotheker im Aspirantenjahr, …) die auch durch schlecht bezahlte Lehrjahre durchmüssen, ehe sie die Lizenz zur Eigenständigkeit (ius practicandi) erhielten. Jetzt ist der ärztliche Beruf in der Niederlassung, an der Leine der Krankenkassen auch immer weniger attraktiv, so dass der Weg dorthin auch immer kritischer gesehen wird. Jeder kennt bereits genügend Jungmediziner, die für ihre postkommotionelle Ausbildung ins Ausland wechseln, weil sie sich den „Spritzenferdl-Job“ in Österreich ersparen wollen.
Nun arbeitet man hektisch an einer Neuverteilung der Routinetätigkeiten, bekommt diese aber nicht wirklich hin, weil zwar noch immer für einige nicht-ärztliche Berufe im Gesundheitssystem die Rolle des Diagnostizierenden und Heilenden attraktiv scheint, natürlich aber nicht die ungeliebten Zubringertätigkeiten der Turnusärzte. Wie man die diversen Arbeitspakete oder Skill’n’Grade Mixes auch immer nennt, auch die Pflege ist schon mit so vielen unnötigen Tätigkeiten beschäftigt worden, dass es kaum möglich sein wird, dass sie diese Tätigkeiten einfach ohne Personalvermehrung zusätzlich abdecken – und Geld und Personal gibt’s eben nicht. Die ebenfalls parallel in Angriff genommene Änderung der Pflegeausbildung wird ebenfalls nicht so schnell genügend einschlägig qualifiziertes Personal in den Beruf bringen, dass wir die nächste Zukunft „durchdrücken“.
Warum schließen wir nicht einige Spitäler und versorgen die Patienten ambulant?
Ein Teil der scheinbaren Kassensanierung der letzten Jahre aber auch der Probleme in der Altenpflege wurde auf den Rücken der Spitäler verschoben, weil dort der Deckungsbeitrag der Krankenkassen gering ist. Ob die nun hektisch geforderten Gesundheitszentren diese Versorgung übernehmen können, scheint mehr als fraglich, denn deren Etablierung benötigt Zeit und Personal. Beides fehlt. Auch wenn es attraktiv erscheint, dort die ambulante Versorgung einfacher Wehwehchen statt durch einen Arzt billiger durch nicht-ärztliche Gesundheitsberufe abdecken zu können, fehlen dafür ausgebildete Kräfte und sind noch eine Reihe von Haftungsfragen ungeklärt.
Fassen wir zusammen:
Durch schlechte Arbeitsbedingungen und absichtliche Änderungen der Ärzteausbildung und vermutlich absichtlich verschlafener Änderungen sowohl der nationalen als auch der europäischen Gesetzgebung haben wir einen Mangel an versorgungswirksam tätigen Ärzten sowohl im Spital als auch in den Kassenordinationen.
Mikl-Leitner: No ein paar Anschläge und wir machen uns mit den Millionen an Karl (Charlie)
Bild: APA von http://www.salzburg24.at/liveticker/opernball-2014-live-aus-der-staatsoper/26169.live
Nach ihrer Rückkehr von den Trauerfeierlichkeiten nach den Anschlägen aus Paris verlangt die Innenministerin einen „dreistelligen Millionenbetrag“ für die Aufrüstung gegen den Terror.
http://www.krone.at/Oesterreich/Paris-Terror_Ministerin_Mikl-Leitner_ruestet_auf-Sicherheitsoffensive-Story-434421
Eine peinlichere Instrumentalisierung der Geschehnisse ist für mich nicht vorstellbar.
Ich bin nicht Charlie: Weh dem der Symbole sieht
Soweit wir wissen, wurden die Anschläge in Paris auf die Redaktion des Charlie Hebdo und auf einen Supermarkt von Personen verübt, die ihre Taten als Zeichen gegen die Missachtung des Propheten, des Islams überhaupt, bezeichnet haben.
Ihre Bereitschaft als Märtyrer für Ihren Glauben zu sterben, wurde letztlich eingelöst.
In den Tagen danach haben Tausende unter dem Slogan Je suis Charlie ein Zeichen gesetzt, dass sie sich mit den Opfern solidarisieren und diese als Märtyrer für unsere Meinungsfreiheit sehen.
Viele Muslime haben sich aus eigenen Antrieb oder durch den medialen Gruppendruck (RAU im Standard: Die muslimische Community sollte Verantwortung übernehmen http://derstandard.at/2000010161500/Das-Taeterprofil) ein Zeichen gesetzt und sich von den Anschlägen der anderen distanziert.
Heute setzt Paris ein Zeichen: eine Million Menschen und hochrangige Politiker aus dem In- und Ausland werden in einen großen Gedenkmarsch der 17 Toten der jüngsten Anschläge gedenken.
Auch in Wien setzen die Bundesregierung und Vertreter verschiedener Glaubensgemeinschaften sowie viele Bürger mit einer Gedenkkundgebung „Gemeinsam gegen den Terror“ auf den Ballhausplatz in Wien ein Zeichen, das der ORF live übertragen wird.
Jetzt muss ich hoffentlich nicht auch noch erklären, dass ich mich natürlich von religiös-motivierten Mordanschlägen distanziere und selbstverständlich auch ein Bedürfnis verspüre klar zu machen, dass ich auf der Seite von Menschenrechten und Meinungsfreiheit stehe, mich ängstigt aber , die Parallele zwischen der Vorliebe aller insbesondere aber der großen abrahamitischen (Judentum, Christentum, Islam) Religionen, Zeichen sehen und setzen zu wollen, der Argumentation der Dschihadisten und unserer gesellschaftlichen Reaktion.
Unser Denken hier wurde seit über 1000 Jahren in unterschiedlichem Ausmaße von diesen drei Religionen geprägt, wogegen die schlappen 3 Jahrhunderte Aufklärung in vielen Punkten noch ziemlich machtlos sind. Persönlich habe ich – wie hier schon mehrfach erklärt – sogar die Befürchtung, dass das rationale Denken gerade in den letzten Jahrzehnten wieder massiv und von vielen Seiten zurückgedrängt wird.
Wie viele der heutigen Demonstranten in Wien, kenne ich Charlie Hebdo nicht, bin aber trotzdem davon überzeugt, dass keine Zeichnung und keine noch so verletzende Polemik jemals einen hinreichenden Grund zur (Selbst)Justiz darstellen dürfen.
Irgendwie hielte ich es aber für besser, würden wir uns von der zeichen- und symbolbehafteten Denkweise diverser religiöser oder politischer Krieger dadurch distanzieren, dass wir die Anschläge von Paris als Mordanschläge abhandeln, oder welche Paragrafen sich unsere Juristen noch dafür einfallen haben lassen, dass man mit Absicht und dem Wunsch größtmöglicher Publizität Menschen ermordet und Geisel nimmt, ohne dass wir durch (leicht zu erschütternde) Verweise auf die angebliche Toleranz und Menschlichkeit unserer Gesellschaft die Propaganda der Attentäter weiterschreiben. Auch mediale Schauprozesse, in denen sich Gläubige von dem zu distanzieren haben, was Verbrecher im Namen ihrer Religion aber nicht in ihrem persönlichen Auftrag unternommen haben, wären unterblieben, wenn wir den Unterschied zwischen biblischer Sippenhaftung und individueller Verantwortung endlich verstanden hätten.
Wenn wir das Hohelied unserer Gesellschaften allzu laut grölen, könnte es nämlich leicht passieren, dass irgendwer den anwesenden Religionsvertretern die Gretchenfrage stellt:
Welche Richtschnur hat im Konfliktfall für sie die höhere Priorität: Weltliche Gesetze oder göttliche Schriften?
Wir wissen, wie man, je nach der aktuellen Machtverteilung, die Probleme gelöst hat, durch Exegese, durch Auslegung.
Natürlich könnte man sich auch wie Jesus aus der Affäre ziehen und „dem Kaiser geben, was des Kaisers ist“, jedoch bezweifle ich ehrlich, dass der, der im tiefsten Inneren davon überzeugt ist, dass ein Gott auf seiner Seite ist, daneben noch eine höhere Autorität akzeptieren kann.
Die eigentliche Problematik die die Extremisten aller Lager aufwerfen ist ihre Verweigerung einer möglichen Falsifizierbarkeit ihrer religiösen Gesetze.
Damit fordern sie in Wahrheit unsere Gesellschaftsordnung heraus.
Es wäre schön, wenn wir bei all den Gedenkmärschen Individuen sehen würden, die dort nicht als Vertreter ihrer Religionen sondern als Vertreter ihrer selbst hingegangen wären, weil sie die Ermordung anderer Individuen beklagen wollen. Dafür lässt sich eine qualifizierte Mehrheit finden, für alles andere hieße es die Dinge allzu genau zu betrachten (http://www.william-shakespeare.de/hamlet/hamlet5_1.htm)
Und wenn wir schon in der Literatur angelangt sind möchte ich mit dem letzten Satz aus Samuel Becketts WATT schließen: Weh dem, der Symbole sieht http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43801047.html
Elvis 80
Als er am 16. August 1977 starb, trampte ich gerade durch Haverfordwest in Wales (UK) und wunderte mich über die einsetzende Hysterie der britischen Zeitungen, die in Sonderbeilagen das Leben von Elvis Aaron Presley wiederkäuten, kommentierten, hoch jubelten.
Für mich, der damals fast ausschließlich Jazz konsumierte, war das ziemlich unverständlich, schließlich repräsentierte der 42. Jährige damals für mich 50er Kommerz (Love me tender) und Hollywood-Kitsch (Fun in Acapulco) aus den 60ern und Jimmy Carters Nachruf schien weit über das Ziel geschossen:
Elvis Presley’s death deprives our country of a part of itself. He was unique and irreplaceable. More than 20 years ago, he burst upon the scene with an impact that was unprecedented and will probably never be equaled. His music and his personality, fusing the styles of white country and black rhythm and blues, permanently changed the face of American popular culture. His following was immense, and he was a symbol to people the world over of the vitality, rebelliousness, and good humor of his country.
In den folgenden Tagen flimmerten unzählige Clips über die britischen Bildschirme und auch wieder daheim quollen Best-of-Alben aus allen Wühlkisten. Zwischen all den grauslichen Musikfilmchen wurde mir aber immer klarer, worin, neben seiner unverwechselbaren Stimme, die wahre Bedeutung Presleys für die Entwicklung der populären Musik lag. Er beherrschte wie wenig andere, die zwei wesentlichen Wurzeln des Rock, Gospel und Rhythm and Blues.
Wenn man das Nachvollziehen möchte, dann ist sein erfolgreiches Comeback 1968 zu empfehlen: http://youtu.be/hqKQ5OxYofE
Wer nur für eine einzige Nummer Zeit aufwenden will, dann empfehle ich diesen Clip. Wenn irgend wer irgendwann mal cool war, dann dieser Mann aus Tupelo, Mississippi: http://youtu.be/l7xXxtMl7Lo
Deshalb kommt er zu seinem 80er hier in den Herrgottswinkel … Ich bin schließlich auch älter geworden 😉
Auch empfehlenswert, der späte Elvis: Elvis the lost Performances: http://youtu.be/UVYtAXdTX30