Sprechstunde

über alles was uns krank macht

Archive for Januar 2023

Was hat die Verfassung denn mit dem maroden Gesundheitssystem zu tun?

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Vor einem Jahr vermeldete die Parlamentskorrespondenz , dass der Finanzausschuss des Parlaments beschlossen hat, dass die Finanzausgleichsperiode coronabedingt bis 2023 verlängert wird, um es Bund, Ländern und Gemeinden weiterhin zu ermöglichen, alle Kräfte in der Corona-Krisenbewältigung zu bündeln. Damit war Ruhe im Karton.

Als im Herbst 22 die zuerst relativ geheim gehaltene Anordnung in die Medien kam, die Wiener Spitäler sollten nur noch Wiener behandeln, war die Aufregung groß (Spitals-Engpässe in Wien – erste Patienten abgewiesen). Es dauerte aber doch einige Zeit, bis medial der Zusammenhang mit den für 2023 anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen erkannt wurde. Gestern sprach dann die Wiener Zeitung von „schlampigen Verhältnissen“ im Gesundheitssystem, sprach vieles richtig an, drückte sich aber auch um die naheliegendste Lösung.

Auf diesem Blog wurde schon 2013 angesprochen, weshalb der Artikel 15a unserer Bundesverfassung überraschenderweise der Dreh- und Angelpunkt unseres Gesundheitssystems ist. Er lautet:

(1) Bund und Länder können untereinander Vereinbarungen über Angelegenheiten ihres jeweiligen Wirkungsbereiches schließen. …

Da sich ja inzwischen herumgesprochen hat, dass Österreich föderal aufgebaut ist, d.h. vieles und definitiv der Gesundheitsbereich zwischen Bund und Ländern aufgeteilt ist, ist klar, dass niemand den Kahn wirklich steuern kann. Da es letztlich immer um Geld geht und das meiste Geld vom Bund eingenommen wird, hat jener im Prinzip ein mittelbares Druckmittel, was die Länder dann damit tun kann er sehr wenig beeinflussen. Selbst das Heben des Strukturplanes Gesundheit (ÖSG) in den Verordnungsrang hat daran kaum was geändert, das die Länder ihre regionalen Pläne (RSGs) weiter schreiben als wäre nix passiert. Ja der 15a regelt die Geldflüsse in dem System, aber Geld und Gesamtverhandlung ist auf zu viele Player verteilt. Und daran will niemand was ändern.

2013 wurde hier unter Ärzteausbildung revisited oder leckt’s mich am 15a berichtet, welche Auswirkungen das auf die Ärzteausbildung hat. 2016 findet man unter Jetzt kommt Bewegung rein …. 15a, als Patient würde ich mich dafür interessieren Themen, die damals wie heute diskutiert werden:

Wegfall der Kostenrückerstattung beim Wahlarzt
Leistungen sollen aus den Ordinationen in die Spitalsambulanzen verschoben werden
Auflösung bestehender Kassenverträge
Kostenerstattungsgenehmigung
Neuregelung für extramurale Versorgung
PHCs statt Allgemeinmediziner und Facharzt

Wer den Auftritt von Minister Rauch im letzten Report gesehen hat, durfte viele dieser untoten Themen und die verzweifelten Rufe nach einem runden Tisch bekannt vorgekommen sein.
Auch wenn Rauch zwischen den Zeilen durchblicken ließ, dass die langen Wartezeiten in den Ordinationen und die mit Banalitäten überfüllten Spitalsambulanzen einen gemeinsamen Grund, nämlich die Insuffizienz (geringe Honorare, zu wenig Kassenverträge, zu kurze Öffnungszeiten, …) im extramuralen (nicht-spitalsassoziierten) Bereich haben. So klar sagt er das halt auch nicht, obwohl Grüne in dem System noch die wenigsten Player stellen. Aber, dass die Grünen politisch selten das tun, wofür man sie in die Regierung gewählt hat, hat auch keinen Neuigkeitswert mehr.

In der Wiener Zeitung wird zum x-ten mal darauf hingewiesen, dass für die Ordinationen die Krankenkassen (Fakt ist: Trotz wachsender und auch alternder Bevölkerung hat sich die Zahl der Vertragsärzte in Österreich seit 2008 nur marginal erhöht, in Wien ist sie sogar gesunken.), für die Spitäler die Länder zahlen. Die seit Jahren als Lösung angepriesenen Primärversorgungszentren werden von den Krankenkassen gezahlt und von den Ländern gefördert. Aber dazu kam noch was:

Die Stadt Wien richtete ab 2021 sogenannte Erstversorgungsambulanzen in einigen Spitälern ein, die als eine Art Hausarzt im Krankenhaus fungieren. Hier besteht eine Kooperation mit dem Ärztefunktdienst, einer von der Ärztekammer organisierten Leistung.

Auch in diesem Artikel, aber auch von anderen Seiten sickerte längst durch, dass die Länder nun eine weitere Säule fordern, für die sie vom Bund Geld verlangen.

Die Länder wollen eine dritte Säule für Ambulanzen, Primärversorgungszentren, Gruppenpraxen etc. einziehen, berichteten „Kurier“, „Presse“, „Salzburger Nachrichten“ und „Standard“. An die 30 Prozent des für das Gesundheitswesen aufgewendeten Geldes (das sind rund acht Mrd. Euro) sollten in diese Säule fließen – und zwar vonseiten des Bundes. 2020 machten die Ausgaben insgesamt 28 Mrd. Euro aus, 16 Mrd. davon für die Spitäler, zwölf Mrd. für den niedergelassenen Bereich (orf.at).

Als ob unser Gesundheitssystem nicht schon komplex genug wäre:

More of the same, würde Watzlawick sagen, oder 2019 hier; Bald gibt es 407 Mediziner mehr in Wien und alle heißen Watzlawick

Fällt eigentlich niemand die Parallele zum Bildungssystem auf, das auch dauern reformiert, dauernd neue Säulen (Neue Mittelschule, Fachhochschulen, Privatuniversitäten, ….) bekommt und immer teurer und dysfunktionaler wird?

Warum liest man in all den jetzt im Zuge der 15a Finanzausgleichsverhandlungen erscheinenden Artikel nicht die Forderung nach Finanzierung des Gesundheitssystems aus einer Hand?

Erst wenn sich niemand mehr ein Problem vom Halse schaffen kann, wenn er es zum Nachbarn kippt, wird er sich um eine möglichst effiziente Lösung bemühen. Außerdem könnte man sich dann die Heerscharen von Beratern, ausgelagerten Strukturen (Gesundheit Österreich GmbH, AGES, …) ersparen, die sich der Bund aufgebaut hat, um den Ländern Vorgaben zu machen, die sie dann uminterpretieren.

All das andere, womit Nebelgranaten geworfen werden, wie Wahlärzte, zentraler Medikamenteneinkauf, Digitalisierung im Gesundheitswesen, … sollen nur davon ablenken, dass niemand, weder Bund, noch Länder, noch Kammern, noch Industriellenvereinigung ihre Schräubchen verlieren wollen, an denen sie das Gesundheitssystem zu ihren Gunsten mißbrauchen können.

Um die Patienten und diejenigen, die in dem Gesundheitssystem arbeiten geht es zu aller Letzt.

Written by medicus58

18. Januar 2023 at 19:24

Die Haltung des Standards

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Der Standard feiert den 80.Geburtstag seines Gründers und Herausgebes mit vielen bunten Bildern und einem erfreulich gesund wirkenden Jubilar. Auf den meisten Bildern sieht man ihn auch im Kreise von Mitarbeitern und Gastautoren (Link).

Im Text lässt Bronner über sein Blatt ausrichten: Nun sei sein Medium so geworden, wie er es sich gewünscht habe.

Dies ließ mich, als Standard-Leser der ersten Stunde, in oben gezeigtem Forumbeitrag ein Addendum formulieren, in dem ich die Abwesenheit von Gerfried Sperl (82), dem langjährigen Chefredakteur des Standards, bedauerte, da dieser den Standard so formte, wie Herr Bronner sein Blatt gerne bezeichnet: unabhängig, mit Haltung,…

Mein Forumbeitrag wurde nicht veröffentlicht, weil er gegen die Forumregeln verstösst!

Da scheine ich die Regel, die eine kritische Bemerkung über Kritiker verbietet oder den Tatbestand Majestätsbeleidigung übersehen zu haben.

Es könnte aber auch die rezent niedrige Bewertung des Standards (1,2/5) auf Trustpilot erklären.

Written by medicus58

15. Januar 2023 at 09:02

Wieso haben wir plötzlich einen Pflegenotstand?

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Vorab, plötzlich passierte das nicht und wenn Ihnen manche Politiker einreden wollen, dass man eben nur wieder ein paar Pflegekräfte aus dem Ausland einfliegen muss, damit alles wieder gut ist, dann belügt man Sie.
Ähnliche Aktionen in den letzten Jahrzehnten mit philippinischen, thailändischen, ost- und südeuropäischen „Diplom-GastpflererInnen“ haben letztlich das Problem verschärft.
Die Auslagerung der Kosten von „Krankenpflegeschulen“ aus den Spitalbudgets und die „Akademisierung“ der Pflegeberufe in Fachhochschulen hatte mehr mit ökonomischen und standespolitischen Erwägungen zu tun gehabt, als dass dies den Beruf attraktiveren konnte.

Wer glaubt, dass das alles ein mitteleuropäisches Problem wäre, dem sei folgender Bericht aus dem Februar 2022 zur Lektüre empfohlen.

In einem Webinar mit über 630 Teilnehmern aus 115 Ländern wurde der jüngste Bericht des International Council of Nurses (ICN), CGFNS, über die globale Pflegearbeitskraft diskutiert. Auch wenn die Veranstaltung unter dem Eindruck der Covid-19 Pandemie stand, legte ein Co-Autor des Berichts klar, wie ausgedünnt die Pflege weltweit bereits war:

„Wenn wir nur eine 4-prozentige Zunahme der Zahl der Krankenpflegefachkräfte haben, die das Unternehmen verlassen, haben wir eine weitere Million zu wenig. Das Ausmaß der Auswirkungen auf globaler Ebene wird enorm sein, wenn die Probleme rund um Burnout und Stress nicht schnell angegangen werden. Wir betrachten eine Situation, in der 4 % eine sehr konservative Schätzung des Ausmaßes der Auswirkung ist. In Richtung 8-12 % oder mehr bekommen wir ein Gefühl dafür, wie problematisch das Problem weltweit ist, insbesondere in Ländern, die mit großen Engpässen in die Pandemie kamen, weil sich diese Mangellücke noch verschärfen wird.“

Franklin Shaffer, Präsident und CEO von CGFNS International und Mitautor des Berichts, warnte vor einem „Tsunami“ internationaler Rekrutierungen aus Ländern mit niedrigem Einkommen in Länder mit hohem Einkommen, die nach einer schnellen Lösung für den Pflegemangel suchen. Dr. Shaffer erinnerte die Teilnehmer daran, dass jede Pflegekraft das Recht auf Mobilität hat, dass jedoch Richtlinien und bilaterale Vereinbarungen eingeführt werden müssen, um eine ethische Anwerbung von Pflegekräften sicherzustellen.

Neben Schutzmaterialien und Zugang zu Covid-Impfungen wurden von Mexiko bis Italien, Afrika bis Asien Kritikpunkte angesprochen, die auch bei uns – ganz unabhängig von der Akademisierung – diskutiert werden:

Es gibt keine keine Wunderwaffe zur Lösung sondern ein „Bündel“ aus politischer Initiativen und Unterstützung, die erforderlich seien, um Pflegekräfte zu halten: Bezahlung, Unterstützung bei der psychischen Gesundheit, befristete Verträge, Anerkennung, niedrie Personalquoten, hohe Arbeitsbelastung, Stress, Burnout, Gewalt am Arbeitsplatz,

Perpetual Ofori-Ampofo, Präsident der Ghana Registered Nurses and Midwives Association, sagte, dass die Krankenpflegefachkräfte, die das Land verlassen, derzeit eines der Hauptprobleme in Ghana seien. Der Verband arbeitete mit dem Gesundheitsministerium zusammen, um sicherzustellen, dass die internationale Rekrutierung ethisch einwandfrei erfolgt, und suchte nach Möglichkeiten, Pflegekräfte im Land zu halten, indem die Ausbildung verbessert und die Bedingungen verbessert wurden.

Dr. José Luis Cobos, dritter Vizepräsident des spanischen Generalrates für Krankenpflege, sagte, dass sein Land vor der Pandemie ein enormes Defizit an Krankenpflegefachkräfte hatte.

Ein bisschen Googeln fördert zahlreiche Beweise hervor:

2017: Sechs Länder (Ruanda, Uganda, Südafrika, Bulgarien, Tadschikistan, Pakistan) in drei Kontinenten – doch die Probleme sind ähnlich: niedrige Gehälter, schlechte Arbeitsbedingungen, geringes Ansehen. Viele Pflegende suchen ihr Heil im Ausland, was den Pflegemangel im eigenen Land oft verstärkt. Link

2010: PWC Publikation : Gesundheitswesen Fachkräftemangel Stationärer und ambulanter Bereich bis zum Jahr 2030 Link
Das heutige Versorgungsniveau im Gesundheitswesen lässt sich ohne Reformen auch kurzfristig nicht aufrechterhalten. Bereits 2020 fehlen annähernd 56.000 Ärzte und gut 140.000 nicht-ärztliche Fachkräfte.
Bis 2030 wird sich die Personallücke sogar auf fast eine Million Personen – gut
165.000 Ärzte sowie fast 800.000 nicht-ärztliche Fachkräfte – vergrößern.


Der Wettbewerb um Fachkräfte verschärft sich zwischen den ambulanten und stationären Einrichtungen dramatisch. Dazu trägt auch die zunehmende Beschäftigung von Ärzten und medizinischen Fachkräften außerhalb der Gesundheitsversorgung, … bei.

In den stationären Einrichtungen dürfte 2030 etwa jede dritte Arztstelle unbesetzt bleiben, im ambulanten Bereich sogar jede zweite. Sowohl stationäre Einrichtungen als auch ambulante Dienste steuern auf einen gravierenden Pflegenotstand zu. Im Jahr 2030 fehlen in Kliniken über 400.000 Krankenschwestern, -pfleger und Pflegehelfer, in ambulanten Diensten weitere 66.000. Dabei ist der Personalbedarf von Altenpflegeeinrichtungen in diesen Zahlen noch nicht berücksichtigt.

Die ganze Absurdität dieser weisen Worte von Price-Waterhouse-Cooper erschließt sich, wenn man sich vor Augen führt, dass derartige Publikationen ganz bewusst als Hinweis für unsere Mandanten bestimmt waren und für die Lösung einschlägiger Probleme .. die Unterstützung der in dieser Publikation genannten Ansprechpartner empfohlen wurde.

PWC, wie viele andere Berater wurden schließlich in großem Ausmaß auch gerufen und haben durch ihre Effizienzsteigerungen dann das Problem noch verschärft.

Warum hören wir nichts mehr von der klugen Erkenntnis in der ersten Hälfte der Pandemie, wo noch offen ausgesprochen wurde, dass Covid unsere Systeme so zerschossen hat, weil Effizienz auf Kosten von Resilienz gesteigert wurde.

Das erklärt viele unserer aktuellen Probleme, vom Ärztemangel, zum Pflegemangel bis zum Medikamentenmangel:

539 Arzneimittel fehlen in Österreich

Written by medicus58

4. Januar 2023 at 17:19

Alles beim Alten im Neuen Jahr: Energiewende

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1.1.2023, Mahü 14:23

Die Weihnachtsbeleuchtung (mit Glühbirnen!) brennen lassen, bei Tageslicht…

Meine Fresse

Written by medicus58

1. Januar 2023 at 15:05