Sprechstunde

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Ach, Assange

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Die Aufregung um Wikileaks

3.12.2010: Die Revolution frisst ihre Kinder, wie immer http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=32920 10.12.2010: Gleiches mit Gleichem?!! http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=33029  11.12.2010: WikiLeaks: Stop the crackdown http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=33042  12.12.2010: Wo ist das Problem mit Wikileaks? Nothing but the Truth http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=33116

ebbte rasch ab, nachdem man ad hominem gegangen ist, so dass hier schon am 4.2.2011 gefragt werden konnte

Wer war bitte der Herr Assange? http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=34236

Seit Dezember 2010 steht Assange in britischer Untersuchungshaft und die Gerichte brühten seither, ob er an Schweden ausgeliefert werden soll. Angeblich gibt es keine Anklage sondern nur einen Verdacht, dass er im August 2010 zwei Frauen sexuell belästigt, eine davon (lt. Schwedischer Rechtsansicht) auch vergewaltigt hätte und die schwedische Staatsanwaltschaft will in nur zu den Vorwürfen befragen!

In den letzten Tagen kehrte Assange wieder in die Medien zurück, da der Rechtsstreit nun, im Mai 2012 beim Supreme Court angelangt ist und jetzt endgültig über eine Auslieferung nach dem EU-weiten Haftbefehl entschieden wird, den schwedische Staatsanwälte eingebracht haben. Am späten Vormittag des 30.5.2012 wurde die Entscheidung bekannt, dass Assange ausgeliefert werden kann.

Die Entscheidung der Richter fiel mit fünf zu zwei Stimmen. Vor dem Supreme Court war es um die Frage gegangen, ob ein von der Staatsanwaltschaft ausgestellter Haftbefehl in Großbritannien Gültigkeit besitzt. Im Vereinigten Königreich muss ein Haftbefehl von einem Gericht ausgestellt werden. Fünf der sieben Richter des Supreme Courts vertraten die Ansicht, dass für einen EU-weiten Haftbefehl auch die Unterschrift eines Staatsanwaltes ausreicht.  Allerdings wurde den Assange-Anwälten eine Frist von 14 Tagen eingeräumt, um eine neue Behandlung des Falls zu beantragen. Bis dahin erlangt die Entscheidung zunächst keine Rechtskraft. Dies bedeutet ein Novum in der Geschichte des britischen Supreme Courts.
http://derstandard.at/1336698235766/Oberster-Gerichtshof-Wikileaks-Gruender-Assange-kann-an-Schweden-ausgeliefert-werden
http://www.rt.com/news/assange-extradition-sweden-uk-538/

Jetzt könnte er noch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde einlegen, der innerhalb von 14 Tagen entscheiden müsste, ob er die Beschwerde annimmt, dann aber erneut Monate für seinen Spruch Zeit hätte.

Die mutmaßliche Quelle der Wikileaks Enthüllungen über vertrauliche Papiere der US Regierung, Bradley Manning (http://en.wikipedia.org/wiki/Bradley_Manning), sitzt seit Mai 2010 (!) in den USA in Haft und muss sich vor einem Militärgericht verantworten.

Und da wir uns hier in den letzten zwei Tagen über „Whistleblowing“ Gedanken gemacht haben, wundert uns auch nicht, dass wir auf eine „alte Bekannte“ treffen.

In einem aktuellen Free Assange Aufruf (http://www.theintelligence.de/index.php/politik/international-int/4469-free-assange-freunde-von-wikileaks-rufen-zur-demo-in-frankfurt-auf.htm) wird Antje Bultmann, Expertin für Whistleblower, die auch über den Fall der Assistenzärztin Cora Jakobi berichtet hat, zitiert:
„WikiLeaks und die Grenzwachen bürgerlicher Freiheitsrechte: Wie die USA ihre demokratischen Ideale verraten“, in der Fachzeitschrift ‚Big Business Crime‘ (2/2011): „Zwei wehrlose Frauen? Beide Frauen sind Intellektuelle, keine ‚Hascherl‘ vom Land, Frauen, die sich später rächen wollten, weil Assange sich nicht mehr für sie interessierte. Jedenfalls ließ Anna Ardin sich im Internet darüber aus, wie man sich bei Männern rächen kann. Sie gingen zusammen zur Polizei. Die Beweislage war aber so dünn, dass die Klage fallen gelassen wurde. Allerdings fanden sich ein paar Wochen später Argumente, die Verfolgung wieder aufzunehmen. Wie das? Über den Sinneswandel der Staatsanwaltschaft kann nur spekuliert werden. Auf was sich der Vorwurf der Vergewaltigung oder der sexuellen Belästigung bezieht, wurde dem Rechtsanwalt von Assange lange nicht gesagt. Amerika hat hier vermutlich mitgemischt. Es gibt ja wohl keinen zweiten Fall, der wie der von Assange wegen unterschiedlicher Ansichten um ein Kondom von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben wurde.“
Keine Rede mehr vom Wahrheitsgehalt der veröffentlichten Dokumente, keine Diskussion über Sinn und Unsinn aller „leakings“ in unserer Gesellschaft, nur mehr endlose Scharmützel an Nebenfronten, ….. wenn da keine Verschwörungstheorien aufkommen.

Am Ende unseres dreitägigen Ausflugs in die „Welt der Pfeiferlnmacht sich die Erkenntnis breit, dass die Mittel wie das „Establishment“ seine Hinterfragung zerstört schon sehr ausgefeilt sind, andererseits keimt aber auch die Hoffnung, dass es immer schwerer wird, die Hydra zu besiegen, je mehr Köpfe ihr wachsen.

„Eine Lüge ist, ganz gleich, wie gut sie auch gemeint sein mag, immer schlechter als die bescheidenste Wahrheit.“

La guerra de guerillas (1960) Dr. med. Ernesto Che Guevaras,

To be continued…

Warum pfeifen die Spatzen nicht oder pfeifen sie schon drauf?

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Die Grenze zwischen selbstgefälliger Rechthaberei und ehrlichem Bemühen um die Veränderung von als unerträglich empfundenen Missständen ist mitunter schmal; die Freude am Skandal stets groß, jedoch von geringer Nachhaltigkeit und frei nach Gajus Julius Cäsar: Man liebt den Verrat und hasst den Verräter.

Dies gilt auch meist für Whistleblower im Gesundheitswesen, also Menschen, die Missstände in diesem Bereich thematisieren:

Der Fall der Altenpflegerin Brigitte Heinisch und die unverständliche Argumentation des Richters in der Wiederaufnahme des Kündigungsschutzverfahren wurde hier schon thematisiert (https://medicus58.wordpress.com/2012/05/27/whistleblowing-im-gesundheitswesen-erlaubt-aber-altenpflege/).

Auch die Tierärztin Dr. Margrit Herbst wurde in den 90er Jahren fristlos aus dem öffentlichen Dienst entlassen, da sie „ohne zwingenden Grund gegen Verschwiegenheitspflichten verstoßen und innerdienstliche Möglichkeiten nicht genutzt habe“, als sie aufzeigte, dass ihr Dienstgeber den Fällen von BSE in einem deutschen Schlachthof nicht nachging. (http://www.vdw-ev.de/index.php?option=com_content&view=article&id=92%3Awhistleblowing-in-zeiten-von-bse-&catid=23%3Awhistleblower&lang=de)

Ein Zusammenfassung der „Fälle“ der Assistenzärztin Cora Jakobi (http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article410586/Dr-Cora-Jacoby-Protokoll-einer-24-Stunden-Schicht.html, Antje Bultmann (Hrg.), Auf der Abschussliste, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 1997) und der Krankenschwestern Sonja Rahimic und Slavka Schuhbauer http://www.beepworld.de/members43/sunnysonni/) findet sich hier: http://www.ungesundleben.org/privatisierung/index.php/Whistleblowing#Gesetzgebung

All diese Fälle liegen schon einige Zeit zurück und angesichts der letzten Fülle an medizinkritischen Büchern und gewerkschaftlichen Aktionen im KAV (http://wp.me/p1kfuX-91) wundert man sich vielleicht, weshalb eigentlich so wenig an direkter Kritik der im öffentlichen Gesundheitswesen Beschäftigten nach außen dringt.

Um dies zu erklären, genügt ein Blick in die (in Wien) geltenden Dienstvorschriften:

Dienstordnung 1994 – DO 1994
§ 21. (1) Der Beamte ist zur Verschwiegenheit über alle ihm ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist.

Da bleibt nicht mehr viel übrig, das eine öffentliche Kritik erlaubt. Wohlgemerkt, hier geht es explizit um Tatsachen, nicht Gerüchte, Vermutungen, … etc. Selbst bei gerichtlich strafbaren Tatbeständen, endet die erlaubte Aktivität bei der Meldung an den Vorgesetzten. 

§ 35. (1) Wird dem Beamten in Ausübung seines Dienstes der begründete Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung bekannt, die von Amts wegen zu verfolgen ist, so hat er dies unverzüglich dem Vorgesetzten zu melden.

Selbst wenn die Medien einem Problem auf die Spur kommen, besteht per Weisung ein wirksamer „Maulkorberlass“:

GED -36/09 Gemäß § 42 Abs. 1 der Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien (GOM) ist für den Verkehr und die Vermittlung des Verkehrs mit Vertretern und Vertreterinnen von Publikationseinrichtungen (Presse, Nachrichtendienste, Rundfunk, Fernsehen und Filmunternehmungen) die Genehmigung des zuständigen amtsführenden Stadtrates oder der zuständigen amtsführenden Stadträtin erforderlich. 

Für den KAV wurde mit den Sonderbestimmungen zur GOM für die Unternehmung „Wiener Krankenanstaltenverbund“ die Wahrnehmung der sonst von der MA 53 – Presse- und Informationsdienst zu erfüllenden Agenden dem Generaldirektor bzw. der Generaldirektorin des KAV übertragen.

Anfragen politischer Parteien, einzelner Mandatar/-innen und der Bezirksvertretungen sind an das Büro der amtsführenden Stadträtin der Geschäftsgruppe Gesundheit und Soziales zu verweisen.

So ganz scheint man der Stadträtin aber doch nicht zu trauen:

Es wird gebeten, die Stabsstelle Kommunikation der Generaldirektion telefonisch, zeitnahe über derartige Anfragen zu informieren.

Auch wenn man sich in der beschaulichen Blogosphäre das kaum vorstellen kann, haben die Verantwortlichen schon realisiert, dass ihnen aus dem Web 2.0 Ungemach droht. Entsprechende Verordnungen werden erlassen:

MD-OS-329/2011 Die Nutzung des Internets darf nicht dem Ruf oder dem Ansehen des Magistrats schaden oder diesen in Misskredit bringen.

Da jede, auch berechtigte Kritik prinzipiell einen Imageschaden des Magistrats bedeutet, ist somit jede Kritik zu unterlassen.

KAV-GD – 215/00/PR Geben Sie als MitarbeiterIn des Wiener Krankenanstaltenverbundes keine Stellungnahmen zu Artikeln in Online-Foren ab.

Wie sehr sich die öffentliche Verwaltung bereits Sorgen um diese Hintertüre der Kritik macht, zeigt ein Leitfaden (WIKI) des Bundeskanzleramtes (http://www.ag.bka.gv.at/index.php/E-Dem:Web_Verwaltung_2.0) in dem Folgendes zu lesen ist:

Interessant ist natürlich auch das Monitoring von sozialen Diensten im Netz: „Was wird über uns als Behörde im Netz gesprochen?“. Um dies mitzuverfolgen sind Dienste und Tools für das Monitoring bzw. Screening von sozialen Netzwerken verfügbar, die hier zum Einsatz kommen können. Nachfolgend eine einige Links zu solchen Tools:

US-Tools:
radian 6
Alterian
ViralHeat

In dem Text findet sich auch gleich ein Link auf eine kommerzielle Site, die die Tools beschreibt und bewirbt!

http://www.stayonsearch.com/9-professional-social-media-monitoring-tools

Es verwundert vielleicht, dass das Bundeskanzleramt in seiner Leitlinie auf die Site von StayOnSearch verweist, dessen Motto „Dominate Your Niche. Make More Money“ lautet, aber das tut offenbar nichts zur Sache, wenn es darum geht herauszufinden: „Was wird über uns als Behörde im Netz gesprochen (wird).

Statt nur auf das Überwachen, Unterdrücken und Verfolgen zu setzen, hat man in vielen Ländern schon längst erkannt, dass es unter diesem Meinungsklima zu keiner Aufklärung von Missständen im öffentlichen Bereich kommen kann und dass man damit nur konstruktive Kritiker (Whistleblower) vergrault (http://de.wikipedia.org/wiki/Whistleblower). In Österreich hat der grüne Abgeordnete Albert Steinhauser 2009 Entschließungsanträge betreffend den Schutz von Whistleblowern in der Privatwirtschaft und im Beamtendienstrecht eingebracht (http://www.parlinkom.gv.at/SUCH/viewsource.shtml?docid=0bb95af86374173081b71313bd583e95_both) die Ende 2011 zu Änderungen im Beamtendienstrecht führten:

Schutz vor Benachteiligung

§ 53a. Die Beamtin oder der Beamte, die oder der gemäß § 53 Abs. 1 im guten Glauben den begründeten Verdacht einer in § 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Einrichtung und Organisation des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, BGBl. I Nr. 72/2009, genannten strafbaren Handlung meldet, darf durch die Vertreterin oder den Vertreter des Dienstgebers als Reaktion auf eine solche Meldung nicht benachteiligt werden. Dasselbe gilt, wenn die Beamtin oder der Beamte von ihrem oder seinem Melderecht gemäß § 5 des Bundesgesetzes über die Einrichtung und Organisation des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung Gebrauch macht.
§4 Abs.1 BGBl. I Nr. 72/2009  bezieht sich jedoch naturgemäß auf Aspekte der Korruption, nicht jedoch aber auf Unzulänglichkeiten der öffentlichen Hand, z.B. im Bereich des Gesundheitssystems.

Auch §5 BAK-G des Bundesgesetzes über die Einrichtung und Organisation des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK-G, BGBl. I Nr. 72/2009) erlaubt Bundesbediensteten nur im Falle einer Anzeige wegen Korruption eine Umgehung des Dienstweges.

SOMIT DARF ES UNS NICHT WUNDERN, DASS ÜBER FEHLENTWICKLUNGEN IM GESUNDHEITSSYSTEM ZWAR JEDER SEINE SUBJEKTIVEN ERLEBNISGESCHICHTEN (wie zuletzt  Kurt Langbein https://medicus58.wordpress.com/tag/kurt-langbein/) ODER SEINE ZU SPÄT KOMMENDEN LÖSUNGSVORSTELLUNGEN (wie Ex-Bu-Min Kdolsky) VERÖFFENTLICHEN DARF, ABER SEHR ENIG AUS ERSTER HAND VON DEN  BESCHÄFTIGTEN IM ÖFFENTLICHEN GESUNDHEITSWESEN ZU LESEN IST.

Links:
http://www.whistleblowing.at/Whistleblowing_Austria/Willkommen.html
http://www.whistleblower-netzwerk.de/

Written by medicus58

29. Mai 2012 at 17:17