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PHC: Für wie blöd halten uns die eigentlich?

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reformhaus

25.7.2015: OÖ Nachrichten
„Von 1000 Menschen, die ein gesundheitliches Problem haben, muss nur einer stationär im Krankenhaus behandelt werden.“

Mit diesen Worten bringt Andrea Wesenauer, Direktorin der OÖGKK, die Kernaussage der wissenschaftlichen Untersuchung des Sozialmediziners Harald Kamps auf den Punkt.
Demnach könnten 900 der Betroffenen ihr Problem (z. B. Fieber oder verstauchter Knöchel) selbst lösen,
„neun brauchen tatsächlich die Hilfe eines Facharztes oder einer Spitalsambulanz“.
Und die übrigen 90 Betroffenen wären in einem Primärversorgungszentrum (PHC) bestens aufgehoben“, sagt Wesenauer.

In diesem Versorgungszentrum werden 23 Gesundheitsexperten zusammen arbeiten, neben fünf Allgemein-Medizinern auch Diplomkrankenschwestern, Psychologen, Physiotherapeuten und Diätologen (wenn ich richtig rechne also 18 Personen!).
So könne der Physiotherapeut Kreuzschmerzen behandeln, der Diätologe Diabetes-Patienten beraten.

Gleichzeitig hat ein Arzt „mehr Zeit für die Patienten, weil ihm die Krankenschwester Arbeit abnimmt“, sagt der Ennser Stadtarzt Wolfgang Hockl, Projekt-Promotor.

20.8.2015: WGKK: Primärversorgung wird von der Bevölkerung angenommen
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150820_OTS0024/wgkk-primaerversorgung-wird-von-der-bevoelkerung-angenommen

20.8.2015: Wehsely: Primärversorgung stärkt medizinische Versorgung durch bessere Rahmenbedingungen
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150820_OTS0105/wehsely-primaerversorgung-staerkt-medizinische-versorgung-durch-bessere-rahmenbedingungen

21. 8. 2015: „Primärversorgung erfüllt Patientenwünsche“
Albert Maringer: Vorsitzenden des Ausschusses für Krankenversicherung und Prävention im Hauptverband und Chef der OÖGKK
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150821_OTS0094/obmann-albert-maringer-primaerversorgung-erfuellt-patientenwuensche

21.8.2015: Pensionistenverband begrüßt Schaffung von medizinischen Primärversorgungszentren
Edlinger: Einrichtung kommt auch den Interessen der PensionistInnen entgegen
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150821_OTS0073/pensionistenverband-begruesst-schaffung-von-medizinischen-primaerversorgungszentren

Ich finde es super, dass mit den Primärversorgungszentren plötzlich der Stein der Weisen gefunden wurde und alle zufrieden sind, wobei ich nur noch einige Marginalien offen sind …

  1. Hat man den Sozialversicherten schon gesagt, dass 900 von 1000, die ein gesundheitliches Problem haben, es zukünftig gefälligst in Eigenregie zu lösen haben (siehe OÖN)?
  2. Auch interessant, wer die Kompetenz haben wird, den 1 von 1000 herauszufinden, der in ein Spital gehört …
  3. Es gibt dzt. nur ein einziges PHC in ganz Österreich (das in OÖ wird erst Ende (!) 2016 errichtet, für das zweite in Wien findet sich auch in der dritten Ausschreibung kein Interessent).
    Weshalb Frau Gesundheitsstadtätin Wehsely, Ex-Minister Edlinger und Herr Maringer schon wissen, dass das Konzept die Patienten freudig angenommen haben, grenzt scheinbar an Magie.
    In Wahrheit genügt ein Blick auf die persönliche Interessenlage, das Parteibuch oder die Aussicht auf Förderung des eigenen Projekts ….
  4. Aber wenn das alles funktionieren soll, was ich fachlich zwar bezweifle aber natürlich nicht ausschließen kann, solange nicht Erfahrungen mit einem flächendeckenden Netz an österr. PHCs  vorliegen (Vergleiche mit Ländern wie Belgien, das eine andere Versorgungsstruktur haben sind nicht aussagekräftig), bleibt aber eine Frage offen:

Woher kommt das Geld für all die zusätzlichen Gesundheitsdienstleistungsanbieter (Pflege, Psychologen, Physiotherapeuten, Diätologen, …) wenn schon die derzeitigen Kassentarife für Ärzte lächerlich niedrig sind (Der typische Arzt ist ein Hausarzt mit Kassenverträgen und reich  http://wp.me/p1kfuX-jY)?

Da fällt einem doch Erich Kästner ein, der einst sagte, man möge nie so tief sinken, um aus dem Kakao, durch den man gezogen wird, auch noch zu trinken!

 

Weiteres zu PHCs:
Entwarnung, alles wird gut http://wp.me/p1kfuX-XW
Zur Quadratur des Primärversorgungszentrum im 22. Wiener Bezirk http://wp.me/p1kfuX-Vz
Wehsely finanziert die Wiener Gebietskrankenkasse und keinen stört’s http://wp.me/p1kfuX-Un

 

Und noch ein PS: Wenn, was einer der wesentlichen Gründe für die Erfindung der PHCs ist, dadurch die Verhandlungshoheit der Ärztekammern mit den Krankenversicherungen aufgebrochen wird (laut Plan dürfen die Kassen direkt Verträge mit den Ärzten in PHCs schliessen), dann verlange ich ein Ende der Pflichtmitgliedschaft in der Ärztekammer. Es kann nicht sein, dass dann Ärzte weiterhin (übrigens verfassungsrechtlich abgesichert) gezwungen werden hohe Mitgliedbeiträge an eine Kammer abzuliefern, die ihre einzige Vertretungsberechtigung eingebüßt hat …  Wär sicher ein netter Musterprozess ….