Ich zahlen nicht mehr für Ihre Sucht
Im April 2013 habe ich mich schon über die immer lauter werdenden Aufrufe zur gesundheitlichen Eigenverantwortung unter dem Titel Gesundheit ist Pflicht (http://wp.me/p1kfuX-Cj ) kritisch geäußert.
Aktuell stößt Möbelhändler, Unternehmensberater, ÖVAG Aufsichtsrat und Hauptverbandschef HJ Schelling wieder in dieses Horn.
Nachdem er erst kürztlich im telefonischen Helpdesk (Drücken Sie die 1 wenn Sie krank sind oder die 0 wenn sie tot sind http://wp.me/p1kfuX-OR ) den Stein der Weisen der extramuralen Krankenversorgung gefunden zu haben glaubte, verkündet er im aktuellen Standard (http://derstandard.at/2000004192638/Schelling-Es-wird-von-der-Aerztekammer-viel-Propaganda-betrieben)
„Den Menschen muss ihr Körper genauso wichtig werden wie ihr Auto.
Wenn Sie mit Sommerreifen im Winter fahren, zahlt die Versicherung nichts, bei uns dürfen Sie alles tun.“
Inhaltlich ist der ersten Aussage kaum zu widersprechen, jedoch wenn das vom Vize-Chef der Österreichischen Wirtschaftskammer (ja, den Job hat er auch noch) kommt, beschleicht mich bei der zweiten Aussage der Verdacht, dass es ihm letztendlich um Strafzahlungen (pardon Prämienerhöhungen) bei Zuwiderhandeln geht.
Klar kann man argumentieren, weshalb die Allgemeinheit, eh nicht die Wirtschaftskammer, dafür zahlen soll, wenn ich mir die Leber hart saufe oder das Lungenkarzinom anrauche, nur sind derarige Überlegungen nur auf den ersten Blick schlüssig.
Für eine neue, sehr effektive aber auch sehr teure Therapie der Hepatitis C verweigern die Krankenkassen bei uns und in Deutschland ( http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2014-08/hepatitis-medikament-krankenkassen-teuer
http://www.tt.com/lebensart/gesundheit/8645324-91/hepatitis-c-gro%C3%9Fe-hoffnung-auf-heilung.csp) die Kostenübernahme. Steht da neben den hohen Kosten vielleicht im Hintergrund auch die moralische Keule, dass man sich vielleicht nicht angesteckt hätte, hätte man geschützten Verkehr ausgeübt?
Noch mehr sollte unserem Wirtschaftskämmerer zu denken geben, was eine eben publizierte Studie dargestellt hat:
Eine hohe Belastung im Job kann das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, deutlich erhöhen. Das ergab die Auswertung bevölkerungsbasierter Studiendaten durch Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift‚ Psychosomatic Medicine‘ veröffentlicht.
http://www.helmholtz-muenchen.de/aktuelles/uebersicht/pressemitteilungnews/article/24827/index.html
Was ist mit dem „Burn out“ des vom Arbeitgeber zumindest vorübergehend sehr geschätzten Workaholic?
Sollen die ausgelagerten Programmierer, die scheinselbstständigen Ich-AGs oder die Multipraktikanten die Therapie ihrer Magengeschwüre selbst berappen, weil sie als Ich-AG in die Selbstausbeutung getrieben werden?
Sollen in diesen Fällen die Patienten ein zweites Mal bestraft werden oder übernehmen dann die Arbeitgeber oder besser gleich die Wirtschaftskammer diese Kollateralschäden?
end of irony
„Burn out“ Therapie für suchtkranke Mitarbeiter http://kaernten.orf.at/news/stories/2781060/
Christine Kainz
19. Juni 2016 at 13:01