Sprechstunde

über alles was uns krank macht

Nebenfront Nebenbeschäftigung?

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Krampus Doktor

Treue Leser meines früheren Blogs können sich sicher erinnern, dass ich schon vor Jahren das Problem angesprochen habe, dass sich angestellte Ärzte ihr international vergleichsweise nicht gerade sehr hohe Gehalt in ihrer scheinbaren Freizeit durch Nebenbeschäftigungen aufbessern.

Vergleiche meinen Jahresrückblick 2012 auf meinblog.at (wobei die Links auf den alten Blog natürlich jetzt ins Leere führen) in dem ich auch schon auf die Unterwanderung der scheinbar freien Arztpraxis durch private Geldgeber hinweise: http://wp.me/p1kfuX-xU

Klassenkampf in den Ordinationen
http://wp.me/p1kfuX-gB
Frag den Professor – er wartet nur auf Dich – Großes Kino oder medizinische Peepshow?  http://wp.me/p1kfuX-tJ

Plötzlich entdeckt der Hauptverband der Sozialversicherungsträger auch das Thema (http://derstandard.at/2000044560058/Streit-um-Nebenjobs-von-Spitalsaerzten?), dessen direkte Beiträge zu den öffentlichen Krankenanstalten bekanntlich sehr gering sind, während es schließlich an „seinen“ Krankenkassen läge den extramuralen Bereich so auszubauen, dass es gar nicht zu den überfüllten Ambulanzen und Notaufnahmen und der Überlastung der Spitäler käme.

In das selbe Horn stösst der multiprofessionelle  Gesundheitsökonom, Universitäts-Lehrer, viel gebuchter Key-Note-Speaker, Geschäftsführer der HCC, Kurheim und 5-Stern Hotel Pleitier in Bad Gleichenberg, Gründer der wesentlichen Beraterfirma des KAV (EHC), KAV-Aufsichtsratmitglied, und Wehsely Intimus Christian Köck  aus Sorge um den Gesundheitszustand der Ärzteschaft. Er verdient sich damit erneut den Titel seines Portraits, das ich just auch schon 2012 auf diesen Blog stellte:
Wer macht da den Köck zum Gärtner? http://wp.me/p1kfuX-cs

Es spricht nicht gerade für die Objektivität der angeblich „vierten Gewalt“ im Staate (https://de.wikipedia.org/wiki/Vierte_Gewalt), dass Zeitungen und ORF völlig kritiklos die Kritik am öffentlichen Gesundheitssystem aus dem Mund derer übernehmen, deren nachweisliche politische und finanzielle Interessen in Konkurrenz zu eben diesem System stehen.
Keine Zeile ist es der Presse auch wert zu hinterfragen, in welcher Beziehung Kollege Köck noch zu der von ihm mitgegründeten Beraterfirma EHC steht, die vom Krankenhaus Nord über Wehselys Spitalskonzept 2030, die Master-BO und den Masterplan  für den zukünftigen Umbau der KAV Krankenhäuser die Konzepte liefert.
auch aus 2012: Dr. Ebner – Die „objektive“ Krake im Gesundheitssystem https://medicus58.wordpress.com/2012/12/19/dr-ebner-die-objektive-krake-im-gesundheitssystem/ 

Aber ernsthaft:
Das Nebeneinander von unselbstständiger Erwerbstätigkeit und freiberuflicher Nebenbeschäftigung ist ein Problem, jedoch viel mehr für das Gesamtsystem, als für das angebliche Drittel der KAV Ärzte mit Privatordination.
Es aber wie Kollege Köck ausschließlich auf die Selbstausbeutung zu reduzieren, greift zu kurz, denn schließlich lebte das System seit Jahrzehnten von eben dieser Selbstausbeutung der Ärzte.

Das Problem liegt vielmehr darin, dass es große gesellschaftliche (und kapitalistische) Interessen gibt, die Chimäre aufrecht zu erhalten, dass der Beruf des Arztes als freier Beruf ausgeübt wird
.

Auch der entsprechende Wikipedia-Eintrag beschreibt sehr deutlich dieses Spannungsfeld.

Freie Berufe sind in Österreich Berufe im öffentlichen Interesse, die nicht von der Gewerbeordnung erfasst werden, sondern in Spezialgesetzen geregelt sind und über ein eigenes Berufsrecht verfügen. Der Ausdruck bezeichnet also einen Berufsstand.
Die Freien Berufe stellen wichtige grundlegende Funktionen der Zivilgesellschaft mit „bedeutsamer gesellschaftspolitischer Rolle“. Es handelt sich durchwegs um hochgradig verantwortungsvolle Berufe, die in engem Zusammenhang mit Grundsätzen von Rechtsstaatlichkeit, Bürgernähe, hohe Gesundheits- und Qualitätsstandards und Verbraucherschutz stehen. Sie stellen auch einen „Mittler zwischen Bürger und Staat“ dar.
Sie zählen zu den gesellschaftlich angesehensten Berufen.
„Angehörige Freier Berufe erbringen auf Grund besonderer Qualifikation
persönlich
eigenverantwortlich und
fachlich unabhängig
geistige Leistungen im Interesse ihrer Auftraggeber und der Allgemeinheit.
Ihre Berufsausübung unterliegt spezifischen berufs- und standesrechtlichen Bedingungen nach Maßgabe der staatlichen Gesetzgebung und des von der jeweiligen Berufsvertretung autonom gesetzten Rechts, welche Professionalität, Qualität und das zum Auftraggeber bestehende besondere Vertrauensverhältnis gewährleisten und fortentwickeln.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Beruf_(%C3%96sterreich)

Wenn man nun aus tagespolitischer Taktik das Problem in die Medien bringt, um die protestierenden KAV Ärzte mundtot machen zu wollen, dann sollten wir Ärzte in die Offensive gehen und dem all das entgegenhalten, was wir als Stand auch für die Allgmeinheit finanziell leisten (müssen), WEIL wir unseren Beruf als Freien Beruf ausüben:

  • Wir sind als numerisch kleine Gruppe per Gesetz dazu verpflichtet eine Standesvertretung (inklusive Rechtsabteilung) zu finanzieren, die es mit ungleich finanzstärkeren Gegnern (Wirtschaftskammer, ÖGB,  Hauptverband, Bundesministerium, …) aufnehmen muss, nicht nur um unsere Interessen zu wahren sondern auch unserer gesetzlichen Verpflichtung zur Mittlerrolle zwischen Bürger und Staat nachkommen zu können.
  • Wir müssen unser uns eine der schärfsten Fortbildungsverpflichtungen aller Berufsgruppen selbst finanzieren, wobei diese immer stärker neben dem Update des rein ärztlichen Wissens eine Reihe weiterer Fachgebiete (Arbeitsrecht, Strahlenschutz, Hygiene, ….) umfasst.
  • Wir sind (außer wenn wir einen der immer selteneren „pragmatisierten“ Posten ergattert haben) verpflichtet unseren gesetzlich vorgeschriebene Wohlfahrtsfond trotz demoskopischer Veränderungen zu dotieren.
  • Trotz des politischen Gängelbandes des Bundesministeriums obliegt es der Ärztekammer alle Änderungen der Ärzteausbildung und -anerkennung zu administrieren. Wir Ärzte zahlen uns das selbst!
  • Wir Ärzte zahlen uns unser Arztprüfungen, unser Akkreditierungssystem der Weiterbildung (DFP, Arztakademie) und unser Qualitätsmanagement (ÖQuMed) mit Dutzenden meist akademischen Angestellten selbst.
  • Wir Ärzte haben schon immer NEBEN unserer Tätigkeit die nächste Ärztegeneration (Praktika, KPJ, Turnusausbildungen) ausgebildet, ohne dass dies im Zeitmanagement oder der Honorierung berücksichtigt wurde.
  • in der Niederlassung zahlen wir für alle gesundheitspolitischen Lieblingsprojekte, wie ELGA, E-Medikation, …. etc.

Ich freue mich auf diese Diskussion, weil ich überzeugt bin, dass wir Ärzte durch eine Bereinigung all der Widersprüchlichkeiten letztendlich mehr gewinnen werden als „die Gegenseite“.

 

In diesem Zusammenhang auch bemerkenswert:

Freie Berufe schlagen Alarm: Unterwanderung durch Investoren gefährdet Unabhängigkeit
Studie von Prof. Schneider zeigt: Beteiligung von Kapitalgesellschaften bei Freien Berufen würde zu Marktkonzentration und Preisanstiegen führen

http://www.freie-berufe.at/freie-berufe-schlagen-alarm-unterwanderung-durch-investoren-gefaehrdet-unabhaengigkeit/

Klicke, um auf Stellungnahme-GAW-BUKO-Interdisziplin%C3%A4re-Gesellschaften_Finale-Version08062016.pdf zuzugreifen

Written by medicus58

18. September 2016 um 14:47

9 Antworten

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  1. Hahahahahaha! Da ist Ihnen ja wieder ein wunderbar sarkastisches Bild gelungen!
    Den Artikel finde ich übrigens hervorragend, zumal der „einfache“ Patient gar keine Ahnung hat, was Ärzte sich selbst bezahlen müssen und sich nur denkt und in Gesprächen auch weitergibt, die Mär vom „gstopften“ Doktor…

    Übrigens befürchte ich, Sie doch einmal im Landl……, falls Sie nicht vorher schon……. (siehe https://medicus58.wordpress.com/2016/09/18/riskieren-sie-nicht-ihren-kopf/ ) 😉

    Christine Kainz

    18. September 2016 at 15:40

    • Vielleicht im Jazzland, das seit Jahren den Spitznamen „Landl“ hat, hoffe keine Delekte begangen zu haben, die mich ins andere „Landl“ bringen ;-).

      medicus58

      18. September 2016 at 16:13

  2. Bei den Nebenbeschäftigungen wird wohl auch die Dosis das Gift machen. Meine besten menschlichen und medizinischen Erfahrungen hab ich bisher mit entweder Spitalsärzten oder Selbstständigen gemacht, aber da bin ich vielleicht nicht repräsentativ.
    Eine Anmerkung hab ich zur erwähnten Weiterbildung: Ich finde es ziemlich orginell, dass Weiterbildungsmaterial in Österreich nur Ärzten zugänglich ist und nicht-Ärzte keine mir bekannte Möglichkeit haben, selber auch mal das Weiterbildungsmaterial durchschauen dürfen, auch wenn man dafür zahlen würde. Komisch. Oder liege ich falsch?

    Hansi

    18. September 2016 at 21:47

    • Also ein Großteil der DFP Fortbildungen sind öffentlich und E-Learning ebenso. Auch die meisten Vorlesungen sind fri zugänglich. So geheim ist das alles nicht.
      Med. Kongressen sind auch für alle zugänglich, die wie wor Ärzte mehrer 100€ dafür zahlen

      medicus58

      18. September 2016 at 22:45

  3. Wirklich sehr gut gelungener Artikel! Es sind nicht nur Privatordinationen, sondern auch freie Tätitigkeiten als Notärzt/in oder Ähnliches, ich sehe immer mehr „Freelancer“ unter der Kollegenschaft, insbesondere der jungen Generation. Also Selbstausbeutung in Reinform ohne die das System nicht funktionieren würde!

    doc141

    19. September 2016 at 09:27

  4. Einer der besten Beiträge ever, vielen Dank, Medicus58!

    Dr. Silvia Wogritsch

    19. September 2016 at 16:06

  5. Volker Schörghofer: „Ärzte arbeiten in der EDV-Steinzeit“ http://steiermark.orf.at/news/stories/2800449/

    Christine Kainz

    30. September 2016 at 19:10

    • Sagen Einrichtungen, deren EDV jedes Jahr zeigt, dass sie ihre Budgets nicht richtig prognostizieren können

      medicus58

      1. Oktober 2016 at 10:37


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