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Da glurrt einen doch der blanke Wahnwitz an

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Flowchart

Dass die Stadt Wien völlig überraschend Pleite ist, wissen Zeitungsleser seit langem, für die Stadtregierung und den Magistrat kam das aber offenbar etwas plötzlich. D
er Rechnungshof rechnet dem „Konzern Wien“ gerade vor, wie die Finanzschulden zwischen 2008 und 2012 von 1,46 Milliarden € auf 4,25 Milliarden angewachsen sind und kritisiert die Budget-Prognosen bis 2016 als unnachvollziehbar. Überdies bemängelt er das Fehlen tragfähigen Mittelfristplanung. Der Zeitraum zwischen 2012 und 2016 harrt noch einer Prüfung.
http://kurier.at/politik/inland/pruef-rohbericht-rechnungshof-zeigt-chaos-im-konzern-wien-auf/113.864.580

Wobei das alles nur die Spitze des Eisberges ist: Dazu kommen die ausgelagerten Schulden in den Firmen und Beteiligungen der Stadt. Die Verbindlichkeiten von Wiener Wohnen, Wien Kanal und dem Krankenanstaltenverbund gibt der RH mit 3,12 Milliarden Euro an – und geißelt die Intransparenz:
Vermögen und Schulden dieser Unternehmen „waren der Stadt Wien zuzurechnen, eine gesamthafte Darstellung fehlte im Rechnungsabschluss„.

Insgesamt leistet sich der „Konzern Wien 219 Teilbilanzen für drei Großunternehmungen (Wiener Wohnen, Wien Kanal, KAV) und 224 weitere Unternehmungen, was schwerlich als gänzlich ohne Absicht „passieren“ kann.
Der RH fand auch heraus, dass die Stadt Wien (ohne Gegenleistung) allein für dem Komplex Bank Austria zusätzlich noch (Stand 2012) mit 8,5 Milliarden Euro haftet.

Während das Land Kärnten aber wenigstens eine jährliche Provision für die Haftungen von der Hypo kassiert hat, verzichtet Wien überraschenderweise auf diese Einnahmequelle.

Egal, zu Jahresbeginn 2016 dämmerte es offenbar doch, dass was  passieren musste und man verkündete „die größte Verwaltungsreform der Geschichte“ und WiSta ward geboren: http://kurier.at/chronik/wien/wien-startet-groesste-verwaltungsreform-der-geschichte/194.075.741

Alle Prozesse sollen hinterfragt werden und alles soll für alle besser werden.

Auf der Ideenbörse des Magistrats tummeln sich so einschneidende Vorschläge, wie dass bei Sitzungen im Magistrat zukünftig Kaffee und Kekse eingespart werden sollen.

Auch die Abteilungsleiter des KAV erreichte vor Wochen eine Mail, die Presse berichtete, in der innerhalb einer Woche Vorschläge für eine 10%-ige Einsparung des gerade in den Zielvereinbarungen akzeptierten Budgets 2016 verlangt wurden.

Den vorläufigen Höhepunkt der hektischen Betriebsamkeit bot jedoch eine Mail, in der Anfang Juni ein neuer Prozess im KAV etabliert wurde:
Sollte eines der zum Teil schon sehr betagten Ultraschallgeräte ausfallen, wird ein einem mehrstufigen Verfahren geprüft, ob man das Ding überhaupt ersetzen muss. 

Kurz zusammengefasst soll das so gehen:

Fällt das Gerät aus, ist von den Ärzten ein mehrseitiges Formular auszufüllen,
in dem die Anzahl der täglichen Untersuchungen
(wäre eigentlich in einem modernen RIS auf Knopfdruck ablesbar, nur hat sowas der KAV halt nicht flächendeckend!),

die Regelbetriebszeit, Gerätebezeichnung, Schallkopfausstattung
(sollte das nicht aus der Inventarliste hervorgehen?,
haben Ärzte nichts anderes zu tun?,
wäre das laut aktuellem Master-Plan Aufgabe der Stationsassistentinen- schwestern, die für die täglichen Abläufe zuständig sind?
)

auszufüllen und eine mehrzeilige Fehlerbeschreibung anzugeben
(waren nicht einmal Ärzte für die PAtientenfehler und Techniker für die Gerätefehler zuständig?).

Danach geht der Prozess mit Unterschrift des Arztes UND Unterschrift des Abteilungsvorstand
(sonst haben die ja eh nix zu tun!)
an die Medizintechnik im Haus, die auch ein paar Blätter ausfüllen darf und sich vor dem weiteren Prcedere einmal bei der zentralen Medizintechnik zwecks Prüfung der Alternativen rückversichern muss.

Dann prüft die lokale Medizintechnik selbst weiter und suchen eine Alternative.
(dass, sollte wider Erwarten am Ende eine Beschaffung heraus kommen, inzwischen die angegebenen Untersuchungen nicht durchgeführt werden können und wer das den Patienten erklären soll, verschweigt das Flowchart)

Unklar bleibt, ob einbrauch ma net“ aus dem Munde der Medizintechnik eine valide Alternative ist, um den Prozess zu beenden. Wenn sich niemand traut, statt eines Ultraschalls zum Beispiel eine Diaphanoskopie zu empfehlen, dann muss die Kollegiale Führung,
wohlgemerkt alle, also neben dem Ärztlichen Direktor auch Pflegedirektion, Verwaltungsdirektor und Technischer Direktor den Reinvestantrag unterschreiben.

Dann wandert das Schriftstück in den Vorstandsbereich Health Care Management.
Der prüft und auch wenn dort keine Lösung zu finden war, wird das Schriftstück auch von dort unterschrieben, um es dann dem Generaldirektor Stellvertreter persönlich vorzulegen.

Natürlich hat auch der noch die Möglichkeit eine alternative Lösung zu finden und das ganze abzuwürgen. Gelingt ihm das nicht, dann unterschreibt er eine Beschaffung.
Ob die dann unter dem aktuellen Budgetrestriktionen erfolgt mag nicht nur ein Pessimist bezweifeln.

Wenn Sie bisher weitergelesen haben, dann haben Sie Kafkas Roman Der Prozess sicher schon dreimal gelesen. Ich habe es nur auf einmal gebracht.

Das scheint mir schon ein Glanzstück, wie das Zeitbudget des Personals effizient eingesetzt wird, um ein paar Ultraschallgeräte einzusparen.

Ähnliches gilt für Dutzende andere Projekte (Sound!), wo enorm viel Zeit von verschiedenen Personalgruppen damit verbracht wird Listen zu schreiben, nur weil der KAV kein vernünftiges Warenwirtschaftssystem zusammenbringt.

Ärzte schreiben im Nachtdienst Tätigkeitsprotokolle über ihre laufende Tätigkeit, um zu beweisen, dass sie mit der Routine voll ausgelastet sind (merken Sie die Perfidie dieses Catch 22?).

Wir verbringen Stunden, die uns von der Patientenbetreuung abgehen, um hochbezahlten, jedoch völlig uninformierten externen Beratern die Medizin zu erklären, nur damit sie uns letztendlich mitteilen, dass wir nicht managen können.

Das kann nicht die Realität sein, das ist ein Albtraum.

Kafka hätte heute seinen Roman wohl Das Prozess-Management  genannt.

„,Wie ein Hund!‘ sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben.“

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/kafkas-saetze-51-scham-bedeutet-hoffnung-1667164.html

Written by medicus58

14. Juni 2016 at 21:48