Sprechstunde

über alles was uns krank macht

Abenteuer auf Vorbestellung

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Als ich 1992 dieses Foto am Dashashwamedh Ghat von Varanasi aufnahm, wütete die Tage vorher der Monsun so stark,
dass er mich in meinem Reiseplan schon zwei Tage zurückgeworfen hat. Natürlich hatte ich bei der Ankunft aus Patna
keine Hotelreservierung, wie auch in einem Land in dem damals Telefonverbindungen selbst zwischen den großen Städten
mehr einer Lotterie als einer Form geregelter Kommunikation glichen, denn
Damals war man noch einfach mal weg (https://medicus58.wordpress.com/2016/07/26/damals-war-man-noch-einfach-mal-weg/).

Ein wirkliches Problem war die Verspätung aber nicht, denn Hotelzimmer gab es genug und die Sehenswürdigkeiten besuchte man dann,
wenn man wirklich dazu Lust hatte.

Hatte man das Glück einige Tage in Florenz verweilen zu können, dann stellte man sich vor den Uffizien in Florenz dann an,
wenn die Schlange gerade nicht bis zum Ufer des Arno reichte.

Schon vor einigen Jahren hörte ich; Ich, der in den 80er und 90er Jahren mindestens einmal jährlich den Big Apple am Hudson River
besucht hatte, dass man inzwischen bereits Wochen vor der Anreise ein Online-Ticket für die Freiheitsstatue (man beachte den inneren Witz von wegen Freiheit)
buchen musste und sich selbstverständlich exakt an den dort gewährten time slot zu halten hätte.
Noch dachte ich, dass das halt mit der Regelwut der US-Amerikaner nach 9/11 zu tun hätte, aber weit gefehlt.

Ob man einen Lift auf den Eiffelturm, ein Ticket für Versailles, die Baustelle der Sagrada Familia  besichtigen oder einfach mal in Barcelona den Park Güell schauen möchte,
nichts geht mehr ohne elektronischer Voranmeldung. Das Versprechen, dass dadurch einfach alles schneller gänge, ist spätestens dann entlarvt,
wenn man sich trotz eines elektronisch erworbene Tickets die Beine vor dem Schloß des Sonnenkönigs in den Bauch steht.

Da ja jeder sich so ein Ticket ausdrucken kann, ist es inzwischen selbstverständlich geworden, immer einen Lichtbildausweis dabei zu haben, von wegen Schengen und so.

Täglich besichtigen in 43 stets ausgebuchten Durchgängen maximal 1075 Besucher Leonardos Letztes Abendmahl im klimatisierten Refektorium des Dominikanerklosters S. Maria delle Grazie, Corso Magenta, Milano. Sollten Sie gerade Lust auf einen Abstecher nach Mailand haben, steht Ihnen für 19€ als frühester Termin eine Besichtigung in 10 Tagen zur Verfügung und klarerweise nur in den Randzeiten (8:15, 8:45 und 18:00). Für andere Optionen berappen Sie rasch ein kleines Vermögen, da offenbar alle touristenfreundlichen Termine bereits an Reisebüros verkauft sind, die Ihnen dann aber schon ein kleines Vermögen abknöpfen.

Aber, hallo!

Wenn ich schon Monate im vorhinein festlegen muss, wann ich wo zu sein habe, dann kann ich mich ja gleich einer Reisegruppe anschließen!
Auch dort  gehe ich auf die Toilette, wenn es der Reiseleiter erlaubt und genieße meinen Espresso, wenn es die anderen tun.

Jetzt komme mir keiner mit Sicherheit. Vor 9:00 pfeift sich im Park Güell keiner der gähnenden Wärter, wer da mit oder ohne Ticket hineingeht, da man beim hinausgehen dann ohnehin registriert wird. Und dem Selbstmordattentäter wird es nachträglich auch ziemlich egal sein, dass er vorher E-Mail-Adresse und Mobil-Nummer angeben musste.

Mich beschleicht einfach der Verdacht, dass man nun eine Technologie anwenden möchte, weil man sie hat und irgendwer im Hintergrund gerne Stricherlisten führt und Daten zusammen führt.
Klar, Google, Tripadviser und Co. wissen nun ganz genau und teilen uns das auch im Browser mit, dass sich Besucher zB. bis zu 1,5h im Park Güell aufhalten und dass die beliebteste Besuchszeit um die Mittagszeit liegt – Big Data!

Wenn Sie die Anlage kennen, hätten es Sie aber wohl verwundert, wenn jemand 7€ berappt hätte und nach 10 Minuten wieder das Weite gesucht hätte oder dort drei Stunden für die gerade mal drei fertiggestellten Gebäude benötigt hätte. Eben, wie so oft bei den Big Data handelt es sich um Informationen, die sich mit Menschenverstand auch ohne EDV gewinnen hätten lassen, sorry IT-Freaks.

Übrigens beträgt die Wartezeit auf den Zutritt zu Gaudis Fliesenparadies augenblicklich nur 2 Tage, wenn Sie früh aufstehen wollen oder können!
Einfach spontan nach der letzten Tapas vorbeischauen war gestern, in den Zeiten, wo man noch wirklich reiste und nicht am Gängelband der Regulierungswut hing. ….

 

Written by medicus58

2. November 2016 um 13:46

24 Antworten

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  1. Wird Zeit, wieder einmal Ihre Reisen in Erinnerung zu rufen 😉
    https://medicus58.wordpress.com/category/reisen/

    Christine Kainz

    16. November 2016 at 17:15

  2. Christine Kainz

    18. November 2016 at 19:49

  3. PS: „In Sri Lanka kommen auf 100.000 Personen etwa 48,9 Ärzte.[64]
    Die Organisation Ärzte ohne Grenzen ist im Land aktiv.[64]“

    Christine Kainz

    19. November 2016 at 10:22

  4. Christine Kainz

    27. November 2016 at 02:38

  5. Nach der Reise

    Es bleibt?
    der besondere Geschmack
    auf der Zunge
    der fremde Duft in der Nase
    das Rauschen des fernen
    Flusses im Ohr
    es bleibt
    die wache Erinnerung
    an Menschen
    die Erfahrung
    von Geschwisterlichkeit
    über Grenzen hinaus
    es bleibt
    das Erlebnis
    des einen Himmels
    über der einen Erde

    © Annemarie Schnitt

    Christine Kainz

    3. Dezember 2016 at 02:03

  6. PS: Als Diagnose sozusagen ein deiectio austria 😉

    Christine Kainz

    3. Dezember 2016 at 19:10

  7. In der heutigen Dolezal Backstage (2) http://www.servustv.com/at/Medien/Dolezal-Backstage12 auf Servus TV, hat Rudi Dolezal gegen Ende der Sendung eine Vorschau auf die Backstage Sendung nächste Woche gegeben (bei ca. 46:01) ist zu erfahren: Gianna Nannini – Durchfall in der Wüste. Jetzt weiß ich aber nicht, ist sie mit einem Konzert bei den Wüstenbrüdern durchgefallen oder hatte sie Verdauungsprobleme. Letztere will sich in der Wüste ja wohl niemand vorstellen. Man darf also gespannt sein auf nächste Woche…
    Gianna Nannini https://www.youtube.com/watch?v=Zm4iCymkYfM und https://de.wikipedia.org/wiki/Gianna_Nannini

    Christine Kainz

    3. Dezember 2016 at 22:12

  8. Korr. auf „Wüstensöhne“.. .

    Christine Kainz

    3. Dezember 2016 at 23:08

  9. Also Nannini hatte tatsächlich Verdauungsprobleme, sprich Durchfall, mitten in der Wüste, am heißesten Tag in der Geschichte Israels … http://www.servustv.com/at/Medien/Dolezal-Backstage13

    Christine Kainz

    15. Dezember 2016 at 23:35

    • Nun, ich erinnere mich an einen alt-ägyptischen Tempel nur, weil ich Fotos gemacht habe …. Vor Ort (August) verschwomm mir vor lauter Dehydrierung alles, wegen ein paar Salmonellen im Frühstücksei

      medicus58

      16. Dezember 2016 at 08:41

  10. mmmmm, wie unangenehm! Bildung mittels Montezumas Rache… 😉

    Christine Kainz

    16. Dezember 2016 at 10:52


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