Wartezeiten, stilles Regulativ im Gesundheitssystem
Letztes Wochenende hat ein Polizeieinsatz in der Kinderambulanz des Donauspitals wieder vor Augen geführt, worüber sich Patienten wirklich im Gesundheitssystem aufregen, die Wartezeiten.
(Lange Wartezeiten – So lief das Ambulanz-Chaos im Donauspital ab http://www.heute.at/news/oesterreich/wien/So-lief-das-Ambulanz-Chaos-im-Donauspital-ab;art23652,1255307
Klar, die Qualität der Diagnose, die Angemessenheit einer Behandlung, die Unterscheidung zwischen Spontanheilung und richtiger Intervention ist für den Patienten nur sehr mittelbar nachvollziehbar. Wenn er aber erlebt mit seinem Problem stundenlang allein gelassen zu werden, dann liegen die Nerven naturgemäß blank.
Seither wird in Presseaussendungen von KAV und Ärztekammer die Schuld Peter hin und her geschoben.
Einerseits unvorhersehbare Grippewelle, andererseits intrauraler Ärztemangel.
Eigentlich verwunderlich, hat sich die Wiener Gebiteskrankenkasse noch 2006 mit der Anzahl „ihrer“ Kassen-Kinderärzten gebrüstet:
WGKK sorgt für österreichweit höchste Dichte an Kinderärzten
http://www.wgkk.at/portal27/portal/wgkkportal/content/contentWindow?action=2&viewmode=content&contentid=10007.725391
Egal, Wehsely greift 2016 ein und „Wien erhält deutlich mehr Kinderärzte“
http://www.xn--sterreich-z7a.at/wien/Wien-erhaelt-deutlich-mehr-Kinder-Aerzte/222615161
Auch die Ärztekammer setzt ein Zeigen und am Wochenende öffnen plötzlich ein paar Kinderordinationen:
Ärztekammer: Erfolgreiche Wochenendinitiative der Wiener Kinderärzte
Freiwillige Öffnung von Ordinationen an Wochenenden für die Dauer der Grippewelle angelaufen – Knapp 200 kleine Patienten durch den Ärztefunkdienst versorgt
Und die Generaldirektion wusste schon während des Sonntags, dass: Der Andrang in KAV Ambulanzen gesunken ist.
In der Eile hat man sich bei der ersten Version um 14:02 noch mit der Überschrift vertan:
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160207_OTS0028/andrang-in-kav-ambulanzen
aber das wurde gleich korrigiert: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160207_OTS0029/korektur-zu-ots28
Also alles paletti!
Da gibt es kein prinzipielles Problem, sondern wie immer nur Organisationsfehler bis die politische Führung eingreift, Missverständnisse und außergewöhnliche Umstände, wie eine Grippewelle im Frühjahr.
Der Kurier glaubt sogar noch außergewöhnlichere Umstände in der Flüchtlingskrise zu finden (Überfüllte Spitals-Ambulanzen: Asylwerber werden vorgereiht, damit begleitende Dolmetscher nicht so lange warten müssen. Patienten protestieren http://kurier.at/chronik/ueberfuellte-spitals-ambulanzen-keine-wartezeit-fuer-fluechtlinge/179.443.940) und schrammt knapp am Bodensatz des Boulevards vorbei ….
Aktuell scheint es 70 Kassenvertragsärzte in Wien zu geben (http://wien.orf.at/news/stories/2755950/).
Als 2006 die Wiener Gebietskrankenkasse ihre oben zitierte Jubelmeldung losließ, waren es nach eigenen Angaben um 20 Vertragsärzte mehr!
Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) hat 90 Kinderärzte unter Vertrag.
Die Kinderarztdichte (Vertragskinderärzte pro Kind unter 15 Jahren) in Wien ist um 76 Prozent höher als der österreichische Durchschnitt.
Neben dem Verschieben der Leistungserbingung zwischen extramural (Ordinationen, Kassenambuklanzen) und intramural (Spitalsambulanzen) mit ihren trotz mehrerer Reformversuche noch immer weitgehend getrennten Finanzierungsströmen und Deckelungen sind Weniger Vertragsärzte und kürzere Ordinationsöffnungszeiten sind die beliebtesten Stellschrauben in der Gesundheitsversorgung, um die Kosten aus dem eigenen Budget zu bekommen.
Nun alle PR Hebel in Gang zu setzen, um den Versicherten einzureden, dass eh wieder alles Leiwand wäre,
ist angesichts von monatelangen Wartezeiten in anderen Bereichen (z.B. Gynäkologen, Neurologen
http://kurier.at/chronik/wien/klamme-krankenkassen-bis-zu-drei-monate-wartezeit-auf-arzt-termin/4.521.965, Thyreologen (http://kurier.at/lebensart/gesundheit/schilddruese-sechs-monate-wartezeit-auf-untersuchung/26.982.141), …etc.)
Die Zahl der Kassenordinationen hält mit dem enormen Bevölkerungswachstum Wiens nicht Schritt. Im Gegenteil: Laut Johannes Steinhart von der Ärztekammer gebe es heute rund 100 Kassenstellen weniger als im Jahr 2000. Manche der offenen Stellen lassen sich kaum noch besetzen. http://kurier.at/chronik/wien/gesundheitssystem-vor-haertetest/179.272.220
Aber Wien soll weiter wachsen (Zur Quadratur des Kreißsaals http://wp.me/p1kfuX-147). In der Gesundeheitsversorgung werden ohne Wartezeiten als stillschweigende Kostenbremse eingesetzt.
Auf der Strecke bleiben dabei aber zwei:
Patienten und Mitarbeiter des öffentlichen Gesundheitswesens.
Röntgen-Wartezeiten: „Politik muss dreinfahren“ http://oe1.orf.at/artikel/443702
Christine Kainz
27. Juni 2016 at 20:47